Bei Zöliakiepatienten werden durch ein leicht verändertes Protein Weizenbestandteile länger an Immunzellen gebunden als bei gesunden Menschen. Das löst eine Überreaktion des Immunsystems auf den eigentlich harmlosen Stoff aus und führt zu der weit verbreiteten Glutenunverträglichkeit, hat ein internationales Forscherteam herausgefunden. Demnach hängt die Darmerkrankung Zöliakie meist mit dem Einbau einer falschen Aminosäure in ein körpereigenes Eiweiß zusammen, das an der Erkennung von Fremdkörpern beteiligt ist. Die fehlerhafte Aminosäure verändert die Oberfläche des Proteins und damit seine Bindungseigenschaften, was die Immunantwort hervorruft, obwohl das gebundene Weizenprotein eigentlich gar nicht bekämpft werden müsste.
Aminosäuren sind die Bausteine, aus denen Proteine zusammengesetzt sind, die alle möglichen Aufgaben erfüllen. Die Forscher um Lars-Egil Fallang fanden heraus, dass bei einem Großteil der Zöliakiekranken ein Gen mutiert ist, das den Einbau einer fehlerhaften Aminosäure in bestimmte Zellen des Immunsystems verursacht. Dadurch wird ein Oberflächenprotein der Zellen derart verändert, dass es sich länger als nötig an das Gluten des Weizens bindet, wenn es mit ihnen in Berührung kommt.
Sobald ein Schwellenwert überschritten wird, der normalerweise einen gefährlichen Eindringling anzeigt, beginnt das Immunsystem, das Gluten zu bekämpfen. Durch diese Immunreaktion wird jedoch nicht nur dieser Weizenkleber attackiert, sondern auch Zellen der Darmschleimhaut in Mitleidenschaft gezogen. Dies führt letztlich zu der chronischen Erkrankung, die für die Patienten mit schweren Einbußen in der Lebensqualität einhergehen kann.
Die Immunabwehr ist ein hochkomplexes System: Eine Vielzahl an Proteinen und Zellen müssen interagieren, um den Körper vor Bakterien, Krankheitskeimen und anderen Eindringlingen zu schützen. Jeder Stoff, der in den Körper gelangt, wird sofort untersucht. Dabei präsentieren bestimmte Zellen anderen Zellen Teile des Fremdkörpers, welcher dann entweder für harmlos befunden oder als gefährlich identifiziert werden. Ist dies der Fall, wird ein Phantombild des Feindes produziert. Killerzellen suchen dann nach ihm und zerstören ihn soweit wie möglich. Bei Autoimmunerkrankungen entstehen irrtümlicherweise Phantombilder, die körpereigenen Zellen gleichen. Bei Allergien oder Überreaktionen wie Zöliakie wird ein Stoff zum Feind erklärt, der dem Körper eigentlich gar nicht schadet ? wie der Weizenkleber Gluten.
Lars-Egil Fallang (Universität von Oslo) et al.: Nature Immunology (Online-Vorabveröffentlichung: doi: 10.1038/ni.1780). ddp/wissenschaft.de ? Martina Bisculm