Ihre faszinierenden Unterwasser-Gesänge sind berühmt – bisher war allerdings unklar, wie die Bartenwale die Laute überhaupt hervorbringen. Dazu haben die Meeressäuger besondere Kehlkopfstrukturen entwickelt, zeigt nun eine experimentelle Studie. Die Bartenwale erzeugen die klangvollen Vibrationen demnach aus der Kombination einer U-förmigen Struktur und einem Fettkissen. Den Modellierungen zufolge kann das System nur einen Frequenzbereich erzeugen, der ausgerechnet im Bereich des menschengemachten Unterwasserlärms liegt, sagen die Forschenden.
Sie sind Säugetiere wie wir – und doch so anders: Wale üben durch ihre gigantische Größe, die geheimnisvolle Lebensweise und ihre traurige Verfolgungsgeschichte eine enorme Faszination auf viele Menschen aus. Zum geradezu mystischen Image der Meeressäuger trägt zudem eine akustische Komponente bei: Bartenwale kommunizieren über weite Strecken hinweg durch Unterwasserlaute. Einige Arten bringen dabei komplexe Lieder mit Strophen hervor, weshalb die Lautäußerungen als Gesang bezeichnet werden. „Die ersten akustischen Aufnahmen von Buckelwalgesängen durch Roger und Katy Payne im Jahr 1970 fanden großen Anklang bei der Menschheit, begründeten das Forschungsfeld der marinen Bioakustik und weckten das Interesse an den Schutzbemühungen“, sagt Erst-Autor Coen Elemans von der University of Southern Denmark in Odense. Dadurch wurden die Walgesänge sogar den Aufnahmen beigefügt, die an Bord der Voyager-Sonden unser Sonnensystem verlassen haben.
Wie singen Bartenwale?
Trotz dieser Berühmtheit ist die Grundlage des Gesangs – der Erzeugungs-Mechanismus der Kommunikations-Laute der Bartenwale – bisher unklar geblieben. „Obwohl die Wale bis knapp vor dem Aussterben bejagt wurden, gab es kaum Anstrengungen dazu, Details über ihre Physiologie zu erfahren“, sagt Co-Autor Magnus Wahlberg von der University of Southern Denmark. Bisher gab es nur eher grundlegende Informationen über die stimmerzeugenden Strukturen und Annahmen zu deren Funktionsweise: Da sich die Bartenwale aus Landsäugetieren entwickelt haben und Luft atmen, besitzen sie auch noch immer einen Kehlkopf, der dem Schutz der Atemwege und der Schallerzeugung dient. Doch bei ihrer Lebensweise ergaben sich spezielle Herausforderungen an dieses „Instrument“.
Um neue Einblicke in das Lauterzeugungssystem der Bartenwale zu gewinnen, untersuchten die Forschenden die Kehlköpfe von gestrandeten Walen: Durch frühzeitige Information konnten sie noch vor Beginn der Verwesungsprozesse die Kehlköpfe eines Buckel- und eines Seiwals sowie eines Zwergwals entnehmen und im Labor genau untersuchen. Dabei kamen endoskopische Methoden und Scanner zum Einsatz. Außerdem versetzten die Forschenden die Strukturen künstlich in Schwingung: Sie sorgten technisch für Luftströmungen, die denen bei der natürlichen Lauterzeugung der Tiere entsprechen sollten.
So zeichnete sich nun ab, dass die Lauterzeugung auf einem Konzept beruht, das nur bei den Bartenwalen vorkommt. Erstens haben sich die winzigen Knorpel stark verändert, die bei anderen Säugetieren und auch bei uns bei der Formung der Stimme im Kehlkopf zum Einsatz kommen: „Diese sogenannten Aryknorpel verwandelten sich in große, lange Zylinder, die an der Basis zu einer großen U-förmigen Struktur verschmolzen sind, die sich fast über die gesamte Länge des Kehlkopfes erstreckt“, sagt Elemans. Dazu erklärt Seniorautor Tecumseh Fitch von der Universität Wien: „Diese Struktur dient wahrscheinlich dazu, die Atemwege starr offen zu halten, wenn die Tiere bei ihrem stoßartigen Atemholen an der Oberfläche große Mengen Luft hinein und wieder herausbewegen müssen“.
U-förmige Struktur und ein Fettkissen
„Wir haben herausgefunden, dass die U-förmige Struktur gegen ein großes Fettpolster an der Innenseite des Kehlkopfes drückt. Wenn die Wale Luft aus ihren Lungen an diesem Kissen vorbeidrücken, kommt es zu den Vibrationen, die niederfrequente Unterwassergeräusche verursachen“, sagt Elemans. Die Luft wird bei der Tonerzeugung unter Wasser allerdings nicht freigesetzt, sondern gelangt in einen speziellen Luftsack. Daraus kann sie anschließend offenbar wieder in Gegenrichtung durch den Kehlkopf strömen und erneut ein Geräusch erzeugen, erklären die Forschenden.
Um weitere Einblicke zu gewinnen, erstellte das Team auf der Grundlage der Ergebnisse ein Computermodell des Klangerzeugungssystems der Bartenwale. Es umfasste die dreidimensionalen Strukturen des Kehlkopfes und seiner Muskeln und ermöglichte so auch Simulationen dazu, wie durch Muskelmodulationen unterschiedliche Frequenzen erzeugt werden können. „Unser Modell hat die Ergebnisse unserer Experimente genau vorhergesagt und außerdem konnten wir weitere akustische Effekte berechnen“, sagt Co-Autor Weili Jiang vom Rochester Institute of Technology. In den Modellierungsergebnissen spiegelten sich dabei auch die bekannten Frequenzbereiche der natürlichen Lautäußerungen bei Bartenwalen wider, sagen die Forschenden.
Wie das Team abschließend berichtet, zeigte sich dabei allerdings auch ein heutzutage nachteiliger Aspekt des Systems: Aus dem Modell geht hervor, dass die Bartenwale physiologisch nicht in der Lage sind, die akustische Maskierung ihrer Kommunikation durch den Lärm von Schiffsschraube und Co akustisch zu umgehen. „Bedauerlicherweise überschneiden sich der von uns vorhergesagte Frequenzbereich vollständig mit dem vorherrschenden Frequenzbereich des vom Menschen verursachten Lärms“, sagt Elemans. „Unserer Ergebnisse belegen damit, dass die Bartenwale trotz ihrer erstaunlichen Physiologie dem Lärm, den Menschen in den Ozeanen verursachen, nicht entkommen können“, so der Wissenschaftler.
Quelle: University of Southern Denmark, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-024-07080-1