Das Ungleichgewicht war wahrscheinlich eine Voraussetzung dafür, dass das Leben überhaupt entstehen konnte. ?Synthetische Proteine, die aus einer Mischung von rechts- und linkshändigen Aminosäuren bestehen, arbeiten nicht richtig?, sagt Jason Dworkin von der NASA, einer der Autoren der Studie. Doch wieso es auf der jungen Erde mehr linkshändige Aminosäuren gegeben haben könnte, war bislang unklar.
Der Tagish Lake-Meteorit aus Kanada könnte nun helfen, das Rätsel aufzuklären. Der kosmische Irrläufer landete im Winter auf einem gefrorenen See in Kanada. Die Bruchstücke, von denen viele sofort geborgen werden konnten, wurden kaum durch irdisches Material kontaminiert. Der Meteorit zählte zudem zu einer besonders primitiven Sorte, die vermutlich noch aus dem ursprünglichen Baumaterial des Sonnensystems besteht.
Glavin und seine Kollegen fanden in Proben des Meteoriten einen deutlichen Überschuss an linkshändiger Asparaginsäure und Glutaminsäure. Bei der Aminosäure Alanin waren beide Varianten dagegen gleich häufig. Alle drei kommen in irdischen Eiweißen vor. Der chemische Fingerabdruck der Substanzen belegte, dass die Aminosäuren nicht von der Erde stammten, sondern im Weltall durch nicht-biologische Prozesse entstanden sein müssen.
Das Ergebnis ergab in den Augen der Forscher zunächst keinen Sinn. ?Dann fiel mir aber ein, dass Alanin und Asparaginsäure anders kristallisieren, wenn man eine Mischung aus links- und rechtshändigen Molekülen hat?, sagt Aaron Burton, ein Co-Autor der Studie. Während sich bei Alanin die beiden Spiegelbild-Moleküle gemeinsam zu einem Kristall verbinden, fügen sich bei der Asparaginsäure die zwei Varianten zu jeweils eigenen Kristallen zusammen.
Solche Kristalle wachsen in einer übersättigten wässrigen Lösung. Die Forscher spekulieren, dass im Meteoriten ursprünglich nur ein kleiner Überschuss der linkshändigen Asparaginsäure vorhanden war. Womöglich entstand dieser Überschuss schon im Staub des solaren Urnebels, bevor dieser zu größeren Brocken verklumpte. Als es später innerhalb des Meteoriten zur Kristallisation von Asparaginsäure kam, verwandelten sich die rechtshändigen Moleküle alle in linkshändige, um den Kristall zu vervollständigen.
Womöglich brachten also Meteoriten einen Überschuss an linkshändigen Aminosäuren auf die Erde. Als das Leben entstand, konnte es diese Bausteine gleich optimal nutzen. Wie die Forscher schreiben, könnten die linkshändigen Aminosäuren aber auch auf der Erde entstanden sein, zum Beispiel in den Poren von Sedimentgesteinen, durch die Wasser zirkulierte.