Von simplen Grünalgen bis zu komplex aufgebauten Blütenpflanzen: Wie eine neue Studie zeigt, waren für diesen Weg drei evolutionäre Schritte entscheidend. Sie alle betrafen eine einzige Familie von Genen. Diese produzieren die sogenannten PIN-Proteine, die Wachstumshormone innerhalb der Pflanze transportieren. Die Verteilungsstrategie hat sich im Laufe der Evolution so verfeinert, dass die Pflanzen zunächst die Fähigkeit erlangten, Wurzeln und Sprosse zu bilden, dann Blütenstände und schließlich die eigentlichen Blüten, die ihnen zur Fortpflanzung dienen.
Blütenpflanzen entwickelten sich vor etwa 135 Millionen Jahren aus den Nacktsamern, zu denen zum Beispiel Nadelbäume zählen. Heute umfassen sie rund 350.000 Arten und machen damit 90 Prozent aller Landpflanzen aus. Ausschlaggebend für ihren Erfolg war vor allem die Entwicklung einer ganz neuen Fortpflanzungsstrategie: Blüten. Darin können die empfindlichen Samen gut geschützt reifen und sich zu gegebener Zeit weit verbreiten. Doch wie konnten sich diese komplexen und vielfältigen Pflanzenorgane entwickeln? Relevant dafür ist die Verteilung von Wachstumshormonen, sogenannten Auxinen, innerhalb der Pflanze. Ihre lokale Konzentration bestimmt darüber, wie sich die Pflanze ausformt.
Acker-Schmalwand als Modellpflanze
Ein Team um Yuzhou Zhang vom Institut für Wissenschaft und Technologie (IST) im österreichischen Klosterneuburg hat nun die Funktion und Evolution der sogenannten PIN-Gene untersucht, die die Auxin-Transporter produzieren. Als Modellpflanze nutzten die Forscher die Acker-Schmalwand (Arabidopsis thaliana). Außer dem Wildtyp gibt es von dieser Pflanze verschiedene genetisch veränderte Varianten, in denen einzelne PIN-Gene stillgelegt wurden. Je nachdem, welches Gen ausgeschaltet wurde, können die Pflanzen keine Blüten mehr bilden, haben Schwierigkeiten, ihre Wurzeln nach der Schwerkraft auszurichten, oder wachsen mit einem verkümmerten oder stärker verzweigten Spross.
Bei der Entwicklung von Wurzeln und Spross bestimmt üblicherweise die Konzentration der Auxine, in welche Richtung die Pflanze wächst. PIN-Proteine sorgen dafür, dass an einer Seite ein Auxin-Maximum entsteht, das an dieser Stelle für stärkeres Wachstum sorgt. Dieses einseitige Wachstum ermöglicht den Pflanzen beispielsweise, ihren Spross an der Sonne und ihre Wurzeln an der Schwerkraft auszurichten. Fehlen allerdings die PIN-Proteine, kann sich kein Auxin-Maximum bilden, sodass dieser Mechanismus gestört ist.
Um genau zu bestimmen, welches PIN-Protein welche Funktion hat, verabreichten die Forscher den genetisch veränderten Pflanzen jeweils eines oder mehrere der Proteine, die ihnen fehlten. Dabei zeigte sich: Aus der Familie der PIN-Gene ist offenbar PIN1 spezifisch für die Ausformung der Blüten verantwortlich. Gaben die Forscher andere PIN-Proteine hinzu, konnte sich zwar ein Blütenstand bilden, nicht jedoch eine funktionsfähige Blüte. Genetisch bedingte Probleme bei der Wurzelbildung dagegen konnten alle PIN-Proteine ausgleichen. Für diesen Prozess überlappt ihre Funktion demzufolge.
Drei evolutionäre Schritte
Doch wie verlief die Evolution der PIN-Gene? Um das herauszufinden, ersetzten die Forscher die fehlenden PIN-Gene der Acker-Schmalwand-Mutanten mit verwandten PIN-Genen aus anderen Pflanzen – von Grünalgen über Moose bis hin zu Nadelbäumen. Während die PIN-Gene aus Grünalgen nicht in der Lage waren, die Defekte auszugleichen, konnten die Gene aus Moosen zumindest teilweise bei der Bildung von Wurzeln und Spross helfen. „Das legt nahe, dass sich die PIN-Gene, die für das Wachstum von Wurzeln und Spross verantwortlich sind, in Landpflanzen entwickelt haben, nachdem diese sich evolutionär von Grünalgen getrennt haben“, folgern die Forscher.
Damit sich ein Blütenstand bilden konnte, genügten die Gene aus Moosen jedoch nicht. Die PIN-Gene aus höheren Pflanzen wie Nadelbäumen erwiesen sich dagegen als geeignet. Den Forschern zufolge deutet das auf einen weiteren evolutionären Schritt hin, bei dem eine Weiterentwicklung der PIN-Gene die Moose von Gefäßpflanzen abgrenzt. Die eigentliche Blüte dagegen konnte sich nur entwickeln, wenn die Forscher Gene aus anderen Blütenpflanzen einbrachten – und zwar umso besser, je ähnlicher diese der Acker-Schmalwand waren.
Zum einen haben die Forscher damit einen wichtigen evolutionären Schritt identifiziert, der die Blütenpflanzen von den Nacktsamern trennt. „Zusätzlich deuten die Ergebnisse auf eine Mikro-Evolution innerhalb des PIN1-Gens hin, die zur Entwicklung von vielfältigen Blütenformen geführt hat“, schreiben die Forscher. „So haben die PIN-Gene den Blütenpflanzen erlaubt, viele unterschiedliche Befruchtungsvarianten zu entwickeln und sich bei ihrer Eroberung der Erde an verschiedene Lebensräume auf anzupassen.“
Quelle: Yuzhou Zhang (Institute of Science and Technology, Austria) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.abc8895