Um nachhaltige Textilien oder Farbstoffe für die Industrie herzustellen, setzen Wissenschaftler und Modeunternehmen seit einiger Zeit auf Mikroben. Nun haben Forschende Bakterien gentechnisch so verändert, dass sie plastikfreies veganes Leder auf Zellulose-Basis herstellen und es obendrein schwarz färben. Es ist das erste Mal, dass Bakterien so manipuliert wurden, dass sie sowohl ein Material als auch ein Farbpigment produzieren. Künftig könnte diese Technik weitere Textilien und sogar bunte Muster ermöglichen.
Ob Wasser, Strom oder Rohstoffe: Die Herstellung von Kleidung und anderen Textilien verbraucht enorme Ressourcen. Das geht zulasten der Natur. Eines der umweltschädlichsten Verfahren in der Mode ist das Färben mit synthetischen Chemikalien. Besonders schädlich sind dabei schwarze Farbstoffe – insbesondere solche, die zum Färben von Leder verwendet werden. Um dieses Problem zu lösen, suchen Forschende seit einiger Zeit nach biologischen und nachhaltigen Alternativen. Zum Einsatz kommen dabei Pilze und Bakterien, die textile Rohstoffe und Pigmente produzieren.
Ein alternativer Rohstoff für Leder ist zum Beispiel bakteriell hergestellte Zellulose – ein robustes, flexibles und formbares Material, das bereits für Textilien verwendet wird. „Bakterielle Zellulose ist von Natur aus vegan. Ihr Wachstum erfordert zudem nur einen winzigen Bruchteil der Kohlenstoffemissionen, des Wassers, des Landverbrauchs und der Zeit, die bei der Zucht von Kühen für Leder anfällt“, erklärt Seniorautor Tom Ellis vom Imperial College London. „Im Gegensatz zu Lederalternativen aus Kunststoffen kann bakterielle Zellulose außerdem ohne Chemikalien auf Erdölbasis hergestellt werden und wird in der Umwelt sicher und biologisch zu ungiftigen Produkten abgebaut.“
Schwarzes Leder aus Bakterien
Zusammen mit einem Londoner Unternehmen haben Ellis und seine Kollegen nun ein solches veganes Leder entwickelt. Mit einer Besonderheit: Es wird während der Produktion zugleich schwarz gefärbt. Dafür veränderten die Forschenden das Erbgut von dem Zellulose-produzierenden Bakterium Komagataeibacter rhaeticus, so dass dieses auch den schwarzen Farbstoff Eumelanin herstellen kann. Dieses robuste natürliche Pigment definiert zusammen mit einem zweiten Melanintyp auch unsere Haar-, Haut- und Augenfarben. Damit ihre mikrobiellen Helfer das Eumelanin produzieren können, fügten die Biologen dem Bakterium das Gen für ein Enzym aus dem Melaninstoffwechsel aus einem anderen Bakterium ein.
Mit den so modifizierten „Mikroben-Fabriken“ für schwarzes veganes Leder stellten die Forschenden Prototypen einer Geldbörse und eines Schuhs her. Dafür kultivierten sie die Bakterien zunächst bis zu 14 Tage lang in rechteckigen beziehungsweise maßgefertigten schuhförmigen Gefäßen. An der Oberfläche der Bakterien-Kultur bildete sich dabei ein blassgelber Biofilm aus Glucose-Polymeren: das Zellulose-Gewebe. Anschließend schüttelten die Biologen die Gefäße für rund zwei Tage und tauschten dabei das Kulturmedium durch eine Pufferlösung mit neutralem statt saurem pH-Wert aus. Statt weiter zu wachsen, wurden die Bakterien durch dieses Milieu dazu angeregt, den schwarzen Farbstoff zu produzieren, der sich dann in dem zuvor gebildeten Gewebe ablagerte.
Das so produzierte Zellulose-Leder sterilisierten und trockneten Ellis und seine Kollegen anschließend und schnitten und nähten es dann in die endgültige Form einer Geldbörse beziehungsweise eines Schuhs. Das Ergebnis waren Produkte aus veganem, plastikfreiem schwarzem Leder – ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigeren Modeindustrie, wie Ellis und seine Kollegen berichten. Mit demselben Prinzip könnten theoretisch auch Zellulose-Gewebe hergestellt werden, die als nachhaltige Alternative für andere Textilien wie Baumwolle oder Kaschmir geeignet wären, so die Biologen.
Auch bunte und gemusterte Textilien möglich?
Auch die Farbe der Gewebe lässt sich auf Wunsch theoretisch anpassen, wie die Forschenden demonstrierten: Sie veränderten das Erbgut der Bakterien, indem sie weitere Gene von anderen Mikroben einführten. Die Bakterien produzieren daraufhin unter Blaulicht ein rot fluoreszierendes Protein. Wurde dieses Licht in Form eines Musters oder Logos auf die wachsenden Zellulose-Gewebe projiziert, stellten die Bakterien nur an diesen Stellen ein rot leuchtendes Muster beziehungsweise Logo her. Der nicht bestrahlte Gewebeteil blieb ungefärbt. So seien mit entsprechend modifizierten Bakterien theoretisch Textilien mit unterschiedlichen Farben und Mustern möglich, berichtet das Team.
Denkbar sei etwa die Herstellung des roten Pigments Pheomelanin oder von blauen Indigo-Pigmenten, indem entsprechende Gene in das Erbgut der Bakterien eingebracht werden, so die Wissenschaftler Eine Kombination dieser Musterbildung mit dem schwarzen Eumelanin war bisher nicht erfolgreich. „Präzise Schwarz-Weiß-Muster sind uns nicht gelungen, sollten aber mit weiterer Optimierung erreichbar sein“, berichten sie.
„Unsere Technik funktioniert in ausreichend großem Maßstab, um reale Produkte herzustellen, wie unsere Prototypen zeigen. Von hier aus können wir sowohl die Ästhetik als auch alternative Formen, Muster, Textilien und Farben in Betracht ziehen“, sagt Erstautor Kenneth Walker vom Imperial College London. Sein Team arbeite bereits an verschiedenen farbigen Zellulose-Produkten. „Wir freuen uns darauf, mit der Modeindustrie zusammenzuarbeiten, um unsere Kleidung in der gesamten Produktionslinie umweltfreundlicher zu machen“, sagt Ellis.
Quelle: Imperial College London; Fachartikel: Nature Biotechnology, doi: 10.1038/s41587-024-02194-3