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Wie Bärtierchen Austrocknung überleben

Erde|Umwelt

Wie Bärtierchen Austrocknung überleben
Bärtierchen
Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Tardigraden. © 2022 S. Tanaka, H. Sagara, T. Kunieda

Ob im Weltall oder im ewigen Eis: Bärtierchen können selbst in extremen Umgebungen überleben. Ein Schlüssel dazu ist ihre Fähigkeit, sich nahezu vollständig austrocknen zu lassen. Doch wie überstehen ihre Zellen die Austrocknung? Forscher haben nun spezielle Proteine entdeckt, denen die Bärtierchen ihre außergewöhnliche Überlebensfähigkeit ermöglichen. Während der Dehydrierung bilden diese Proteine ein schützendes Gel, das sich ohne Wasser versteift und die Zellen stützt. Auf diese Weise entgehen die Zellen dem andernfalls tödlichen mechanischen Stress. Auch in Versuchen mit menschlichen Zellen behielten die Bärtierchen-Proteine zumindest teilweise ihre Funktionalität.

Wasser ist die Grundlage alles Lebens auf der Erde. Doch manche Organismen sind in der Lage, zeitweise vollständig darauf zu verzichten. Wahre Künstler in dieser Fähigkeit sind die Bärtierchen. Die nur etwa einen halben Millimeter großen Tierchen können sich in wasserloser Umgebung nahezu komplett austrocknen lassen. Dabei schrumpfen sie in sich zusammen und ähneln in diesem Zustand kleinen Tönnchen. Ihr Stoffwechsel kommt zum Erliegen, sodass sie nicht einmal mehr atmen müssen und sogar im Vakuum überleben können. Einige Arten können Jahrzehnte in diesem Tönnchenzustand überdauern. Steht wieder Wasser zur Verfügung, erwachen sie innerhalb von Stunden wieder zum Leben.

Trick gegen mechanischen Stress

Doch wie gelingt es den Bärtierchen, ihre Zellen vor dem massiven mechanischen Stress zu schützen, der mit der Austrocknung einhergeht? Ein Team um Akihiro Tanaka von der Universität Tokio in Japan hat nun einen neuen Mechanismus entdeckt, der den Bärtierchen ihre außergewöhnlichen Überlebensfähigkeiten ermöglicht. „Der Trick besteht darin, wie ihre Zellen mit diesem Stress während des Austrocknungsprozesses umgehen“, erklärt Tanakas Kollege Takekazu Kunieda. „Die Vermutung war, dass eine Art von Protein der Zelle helfen muss, ihre physische Stabilität aufrechtzuerhalten, damit sie nicht in sich zusammenfällt, wenn das Wasser die Zelle verlässt.“

Tanakas Team testete daher verschiedene Proteine der Bärtierchen auf entsprechende Fähigkeiten – und wurde tatsächlich fündig: „Nachdem wir verschiedene Arten getestet hatten, fanden wir heraus, dass sogenannte CAHS-Proteine, die es nur bei Bärtierchen gibt, für den Schutz ihrer Zellen vor Austrocknung verantwortlich sind“, so Kunieda. Die Abkürzung CAHS steht für „cytoplasmic-abundant heat soluble proteins“ – es handelt sich um hitzelösliche Proteine, die im Zellplasma der Bärtierchen reichlich vorhanden sind.

Schützendes Gel-Netzwerk

In mehreren Versuchen untersuchten die Forscher die Funktionsweise der CAHS-Proteine. Das Ergebnis: Während der Dehydrierung bilden sie ein Gel, das sich schützend um die inneren Strukturen der Zelle legt. Schwindet das Wasser, versteift sich das Gel zu vernetzten Filamenten, die die Form der Zelle stützen. Auf diese Weise wird der mechanische Stress minimiert. Der Prozess ist vollständig reversibel. Sobald die Zellen wieder mit Wasser in Kontakt kommen, lösen sich die Filamente langsam wieder auf und verteilen sich erneut im Zellplasma. Die Geschwindigkeit ist dabei so justiert, dass die Zelle keine Schäden nimmt.

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Für weitere Experimente testeten die Forscher, inwieweit die CAHS-Proteine ihre Funktion auch in anderen Zellen als denen von Bärtierchen erfüllen können. Dazu fügten sie die Proteine in menschliche Zellkulturen ein. Um sie unter dem Mikroskop sichtbar zu machen, verknüpften sie die CAHS-Proteine mit einem grün fluoreszierendem Protein. Und tatsächlich: Auch in menschlichen Zellen verteilten sich die CAHS-Proteine zunächst im Zellplasma, um sich bei Wassermangel zu Filamenten zu verknüpfen. Bei erneuter Aufnahme von Wasser bildeten sich die Filamente wieder zurück.

Aus Sicht der Forscher eröffnet dieses Ergebnis neue Perspektiven für die Konservierung von Zellmaterialien und Biomolekülen im trockenen Zustand. Denkbar wäre, mit Hilfe der CAHS-Proteine Materialien für die Forschung, aber auch Medikamente mit kurzem Haltbarkeitsdatum, in einen länger haltbaren Trockenzustand zu überführen und bei Bedarf vor der Verwendung wieder mit Wasser zu versetzen.

Quelle: Akihiro Tanaka (Universität Tokio, Japan) et al., PLOS Biology, doi: 10.1371/journal.pbio.3001780

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