Vorsicht, rabiate Pflanze! Mit ihren biologischen “Fangeisen” schnappt sich die berühmte Venusfliegenfalle Insekten. Doch dabei scheint es ein Dilemma zu geben: Als Blütenpflanze ist die Fleischfresserin auf eine Bestäubung angewiesen – wenn sie die Insekten frisst, können sie diesen Dienst nicht mehr leisten. Forscher haben nun Einblicke darin gewonnen, wie die Venusfliegenfalle dieses Problem löst. Bestäuber landen demnach kaum in ihren Fallen, zeigen die Ergebnisse.
In der Regel begnügen sich Pflanzen mit dem Nährstoffangebot des Bodens. Doch etwa 600 Arten aus 18 Gattungen reicht das nicht: Die sogenannten Carnivoren verschaffen sich Zusatznahrung durch die Jagd auf Insekten. Um sich die lebendigen Düngetabletten einzuverleiben, hat die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) die raffiniertesten Organe entwickelt. Man könnte meinen, dass es sich bei den rötlichen Fangeisen-Strukturen um die Blüten der Pflanze handelt. Doch das ist nicht der Fall: Der bizarre Schnapp-Apparat bildet sich aus den Blattspitzen. Die weißen Blüten der Venusfliegenfalle entstehen hingegen an langen Stielen.
Eine erstaunlich unbekannte Prominente
Obwohl sie so berühmt ist und heutzutage sogar in Baumärkten angeboten wird, gibt es noch erstaunliche Wissenslücken über die Biologie der Venusfliegenfalle. Ein Grund dafür ist ihr kleines sumpfiges Ursprungsgebiet, das sich im US-Bundesstaat North Carolina befindet. “Sie ist weltbekannt, aber niemand wusste bisher, wie die Venusfliegenfalle eigentlich natürlicherweise bestäubt wird. Deshalb haben wir beschlossen, das nun zu klären”, sagt Co-Autor Clyde Sorenson von der North Carolina State University in Raleigh.
Die Forscher fingen dazu systematisch Insekten ein, die an den Blüten der Pflanzen in ihrer natürlichen Heimat auftauchten. Sie identifizierten jede Art und überprüften zudem, ob und wie viel Venusfliegenfallen-Pollen die Insekten mit sich trugen. Außerdem blickten sie in die Fallen der Pflanzen, um zu dokumentieren, von welchen Insekten sich die Venusfliegenfalle in ihrer natürlichen Umgebung ernährt.
Eher keine “Fliegen”-Falle
Die Forscher zählten insgesamt etwa 100 Insektenarten, deren Vertreter die Blüten besuchten. Bei drei Arten handelte es sich offenbar um die wichtigsten Bestäuber der Pflanze: Eine Schweißbiene und zwei flugbegabte Käferarten, waren häufige Gäste an den Blüten und brachten besonders viel Pollen mit sich. Wie die Auswertung der Opfer der Venusfliegenfalle ergab, landen diese drei Hauptbestäuber offenbar nicht in den Klappfallen. Bei den Beutetieren handelt es sich hingegen hauptsächlich um Arten, die nicht fliegen, sondern sich in der Nähe des Bodens aufhalten. “87 Prozent der Blütenbesucher können fliegen. Aber nur 20 Prozent der Beutetiere können fliegen”, sagt Co-Autorin Elsa Youngsteadt. Die fleischfressende Lebensweise beeinträchtigt dadurch kaum die Chance bestäubt zu werden, resümieren die Forscher.
“Ein Teil des Effekts ist wohl schlicht auf die Architektur der Pflanzen zurückzuführen”, sagt Youngsteadt: “Die Blüten der Venusfliegenfalle stehen ausgesprochen hoch über den Schnappfallen der Pflanze an langen Stängeln. Die Bestäuberarten können sich dadurch einfach oberhalb der Gefahrenzone aufhalten, wenn sie von Blüte zu Blüte fliegen”.
Auffällig ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die Forscher tatsächlich kein einziges Exemplar der drei Hauptbestäuberarten in den Fallen gefunden haben. Dies lässt vermuten, dass noch andere Mechanismen im Spiel sind. “Wir wollen nun der Frage nachgehen, ob unterschiedliche Düfte oder andere chemische Signale den Bestäubern Informationen geben, welche Teile der Pflanze zu meiden sind”, so Sorenson.
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