Solche oder ähnliche Beschwerden sind typische Anzeichen des sogenannten Karpaltunnelsyndroms. Es ist schon fast eine Volkskrankheit. “Einer Studie aus Südschweden zufolge leiden circa 15 Prozent der Erwachsenen an den typischen Symptomen des Karpaltunnelsyndroms”, berichtet Martin Jung, Arzt an der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg. Als nachgewiesen gilt es immerhin bei etwa fünf Prozent der Bevölkerung. Und auch die Zahl der Neuerkrankungen ist mit 3,5 Betroffenen pro 1.000 Einwohnern und Jahr relativ hoch. Dabei erkranken vor allem Frauen zwischen dem vierzigsten und siebzigsten Lebensjahr. Weitere Risikogruppen sind Schwangere und Rheumatiker.
Beim Karpaltunnelsyndrom ist der Mittelhandnerv eingeklemmt und verursacht so die Schmerzen und motorischen Bewegungseinschränkungen. “Der Mittelnerv läuft durch eine anatomische Engstelle am Handgelenk, dem Karpaltunnel”, erklärt Jung. “Dieser Tunnel lässt sich wie ein knöchernes U mit einem straffen Band aus Bindegewebe als Dach vorstellen”, so der Mediziner. “Wird der Tunnel durch Druckeinwirkung zusätzlich verengt, kommt es zur Schädigung des Mittelnervs.”
Die Ursachen für eine solche Druckerhöhung sind vielfältig und lassen sich oftmals nicht vollständig klären. So können Schwellungen etwa durch Rheuma, ein Handgelenksbruch oder ein Tumor den Karpaltunnel verengen. Häufig bedingt auch eine Überlastung das Einklemmen des Nervs. “Dabei sind meist weniger Routinetätigkeiten, sondern eher ungewohnte Bewegungen der Auslöser der Beschwerden”, berichtet Jung.
Auch eine erbliche Vorbelastung ist nicht ausgeschlossen. “Häufig tritt das Karpaltunnelsyndrom insbesondere bei Verwandten mütterlicherseits über mehrere Generationen hinweg auf”, berichtet Hans Assmus, niedergelassener Neurologe aus Dossenheim und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Neurochirurgie. “Die Vererbung erfolgt allerdings vermutlich eher indirekt, wie etwa über Stoffwechselerkrankungen, die das Karpaltunnelsyndrom begünstigen”, meint der Heidelberger Orthopäde Jung.
Die Diagnose des Karpaltunnelsyndroms erfolgt zunächst über mehrere sogenannte Provokationstests, die die Sensibilität der Finger untersuchen. In einem zweiten Schritt misst ein Neurologe die Nervenleitgeschwindigkeit, die einen bestimmten Grenzwert nicht überschreiten darf. “Diese Messung muss jedoch kritisch gesehen werden, denn oft treten abnormale Werte auf, obwohl der Patient nicht über die typischen Symptome klagt”, sagt Neurochirurg Assmus. Und auch der Orthopäde Jung bestätigt: “Nur beide Untersuchungen zusammen ergeben ein umfassendes Bild.”
Die Heilungschancen sind in der Regel sehr gut. In leichten Fällen erhalten die Patienten zunächst Nachtlagerungsschienen, die das Handgelenk ruhigstellen. Auch Kortisonspritzen können Abhilfe schaffen. Langfristig hilft in der Regel jedoch nur eine Operation. “Solche eine Operation ist heute ein Routineeingriff und wird meist ambulant und nur selten unter Vollnarkose durchgeführt”, sagt Assmus. Während der Operation trennen die Chirurgen das den Karpaltunnel bedeckende Band durch und entlasten somit den Mittelnerv.
“Welche Operationsmethode der Operateur dabei anwendet offen oder endoskopisch , ist Ermessensache. Die Erfolgschancen sind gleich”, erklärt Assmus. Bereits am ersten Tag nach dem Eingriff spüren die meisten Betroffenen eine erhebliche Schmerzlinderung. Je nach beruflicher Tätigkeit dauert es schließlich etwa drei Wochen, bis die Hand wieder einsatzfähig ist. Das verlorene Fingerspitzengefühl kehrt jedoch erst nach und nach zurück. “Die vollständige Erholung des Nervs kann je nach Krankheitsverlauf bis zu einigen Monaten dauern”, berichtet Jung. Betroffene, deren Hände oft einschlafen und kribbeln, sollten deshalb möglichst frühzeitig einen Arzt aufsuchen. Denn bleibt das Karpaltunnelsyndrom unbehandelt, treten nicht nur die typischen Beschwerden auf, sondern der Mittelnerv kann irreversibel geschädigt werden.