Was getan werden müsste, ist schon lange klar. So ermittelten bereits die Forscher im letzten Bericht des Weltklimarats IPCC, dass die Menschheit ab jetzt nicht mehr als 1000 Gigatonnen CO 2 emittieren darf, soll die Klimaerwärmung innerhalb des avisierten Zwei-Grad-Zieles bleiben. Doch nach der aktuell prognostizierten Entwicklung wird die Menschheit dieses Emissionsbudget sogar schon im Jahr 2040 ausgeschöpft haben.
Dabei gibt es durchaus hoffnungsvolle Ansätze. So trugen erneuerbare Energien im Jahr 2014 bereits zu rund 21 Prozent zur weltweiten Stromerzeugung bei. Dennoch liefern fossile Brennstoffe noch immer den Löwenanteil der weltweit verbrauchten Primärenergie. “Es gibt bereits einen dynamischen Wandel bei der Energiegewinnung, aber dieser Wandel muss schneller werden”, konstatieren die Forscher in der Studie “Energy (R)evolution”. Wie das geschehen kann und ob das bis 2050 möglich ist, haben sie mit Hilfe von Modellrechnungen ermittelt.
Erneuerbare sind konkurrenzfähig
Ihr Ergebnis: Die globale Energieversorgung bis 2050 vollständig auf Erneuerbare umzustellen, ist technisch möglich, finanziell attraktiv und kann Millionen neuer Arbeitsplätze schaffen. Denn schon jetzt zeige der Sektor der erneuerbaren Energien, dass er konkurrenzfähig sei. “Die Erneuerbaren Energien sind inzwischen erwachsen und können mit klimaschädlichen Kohlekraftwerken und riskanten Atommeilern konkurrieren”, so Sven Teske, Greenpeace-Energieexperte und Hauptautor der Studie.
Wie die Forscher vorrechnen, sind Solarenergie und Windkraft schon jetzt in den meisten Regionen der Erde nicht mehr teurer als die Ausbeutung neuer Kohlevorkommen – und das, obwohl die fossilen Brennstoffe global gesehen mit jährlich rund 550 Milliarden US-Dollar subventioniert werden. “Das ist mehr als das Doppelte von dem, was erneuerbare Energie erhalten”, heißt es im Bericht.
Erst Wind und Sonne, dann Geothermie und Wasserstoff
Den Berechnungen der Forscher nach könnte schon in den nächsten 15 Jahren der Anteil der erneuerbaren Energie an der Stromproduktion von heute 21 Prozent auf 64 Prozent ansteigen. Bis 2050 könnten es 100 Prozent sein. “Schon 2020 werden Wind und Photovoltaik die Hauptquellen für den wachsenden Strombedarf sein, gefolgt von solarthermischer Energie, von Geothermie und Wellenkraft”, heißt es im Bericht.
Bei der Wärmeproduktion könnten Effizienzsteigerungen den Bedarf um 33 Prozent bis 2050 senken. Bis 2030 müsste dabei Biomasse den Hauptanteil des Heizbedarfs decken. Ab 2030 können dann Sonnenkollektoren, geothermische Anlagen und die Verbrennung von erneuerbaren Wasserstoffquellen die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen weiter reduzieren. Als letzter fossiler Brennstoff wird dabei Erdgas durch Wasserstoff ersetzt, so die Prognosen der Forscher.
Einsparungen gleichen die Kosten aus
Und die Kosten? Laut Studie erfordert eine globale Energiewende bis 2050 jährliche Investitionen von durchschnittlich etwa einer Billion US-Dollar. “Weil erneuerbare Energien aber keinen Brennstoff benötigen, werden gleichzeitig 1,07 Billionen US-Dollar an Brennstoffkosten eingespart”, so die Forscher. “Die Investitionen werden daher auf den gesamten Zeitraum gerechnet durch die Einsparungen gedeckt.”
Bei der Stromproduktion würden sich die Kosten pro Kilowattstunde nach Angaben der Forscher je nach Region nur um rund 0,2 bis 2 Cent erhöhen. “In einigen Ländern wie China und Indien ist das Szenario schon von Beginn an wirtschaftlich und ab 2020 sogar billiger als konventionelle Energiequellen”, berichten die Wissenschaftler. Weil dann die Kosten für Erdöl und Kohle wegen zunehmender Knappheit ansteigen, wird sich der Umstieg ab 2030 dann weltweit lohnen. Bis 2050 könnten die erneuerbaren Energien weltweit 1,7 US-Cent pro Kilowattstunde billiger sein.
Umsteigen schafft Arbeitsplätze
Der kostenneutrale Umbau des weltweiten Energiesystems kann zudem weltweit 20 Millionen zusätzlicher Arbeitsplätze schaffen, wie die Studie ermittelte. Während die Zahl der Beschäftigten der globalen Energiebranche ohne beschleunigte Energiewende bis zum Jahr 2030 leicht auf 28 Millionen sinkt, würde die Branche bei einer Umstellung auf 100 Prozent Erneuerbare im gleichen Jahr 48 Millionen Menschen Arbeit geben.
Als Mutterland der Energiewende kann Deutschland dabei besonders von einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien profitieren. Schon heute beschäftigt die deutsche Windindustrie rund 138.000 Menschen. Bei einer Exportquote bei Windanlangen aus Deutschland von 60 Prozent im Jahr 2014 sichert der Weltmarkt inzwischen jeden zweiten dieser Jobs. “Folgt die Welt dem Energy-Revolution-Szenario, wird sich der globale Windenergiemarkt bis 2030 vervierfachen”, so Teske. “Für Deutschland ist die nationale und die globale Energiewende eine Riesen-Chance.”
“Es fehlt nur der politische Wille”
“Es gibt keine größeren wirtschaftlichen oder technischen Barrieren, die einen Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energie bis 2050 verhindern würden”, konstatieren die Forscher. “Es erfordert nur den politischen Willen, diese Veränderungen in Gang zu bringen.” Eine Chance dafür ist die UN-Klimakonferenz in Paris im Dezember 2015. Denn dort sollen erstmals die USA, China, Indien und die EU-Mitglieder ein gemeinsames Klimaabkommen mit knapp 200 Staaten unterzeichnen.
Nach Ansicht der Wissenschaftler wäre dies die ideale Gelegenheit, die Weichen für eine globale Energiewende zu stellen. “Dies ist das Jahr, in dem der Kampf gegen den Klimawandel die entscheidende Wende nehmen könnte”, betonen sie. Als Weg dahin sehen sie neben verbindlichen Emissionsminderungen unter anderem das Einstellen von Subventionen für fossile Brennstoffe bis 2020 sowie die Bereitschaft, gemeinsam 100 Milliarden US-Dollar jährlich für eine Energiewende aufzubringen.
Die Studie “Energy (R)evolution 2015” zum Download finden Sie hier
Quelle: Greenpeace