Die nächtliche Lichtverschmutzung durch Straßenlaternen, Scheinwerfer und Co. stört die natürlichen Tag-Nacht-Rhythmen des Menschen, aber auch vieler Tiere, darunter der Insekten. Bisher gibt es aber nur wenige Daten dazu, ob und wie sehr das künstliche Licht für den Insektenschwund mitverantwortlich ist. Deshalb haben jetzt Forscher Empfehlungen formuliert, wie die Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf Insekten künftig besser untersucht werden könnten.
80 Prozent der Menschheit leben unter einem selbst nachts nicht mehr richtig dunklem Himmel – Tendenz steigend. Denn unsere künstliche Beleuchtung macht heute fast überall die Nacht zum Tag. Das hat schwerwiegende Folgen für unsere Gesundheit und auch für viele Tiere. Denn die Beleuchtung beeinträchtigt beispielsweise den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus, kann die Fortpflanzung mancher Tiere verschieben und stört die Bestäubung von Pflanzen.
Was macht das Licht mit Insekten?
Außerdem könnte die Lichtverschmutzung auch am Insektenschwund mitverantwortlich sein, vermuten Forscher um Gregor Kalinkat vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Denn etwa die Hälfte aller Insektenarten ist nachtaktiv und auf Dunkelheit und natürliches Licht von Mond und Sternen angewiesen, um sich zu orientieren und fortzubewegen oder um Räubern auszuweichen. Auch um nachts Nahrung zu suchen und sich fortzupflanzen ist der natürliche Tag-Nacht-Rhythmus wichtig. Eine künstlich erhellte Nacht stört dieses natürliche Verhalten – und könnte deshalb die Überlebenschancen mindern.
„Wir vermuten, dass künstliches Licht in der Nacht ein Hauptgrund für diesen, vor allem in Deutschland gut dokumentierten Negativtrend ist“, sagt Kalinkat. Vor allem Fluginsekten werden laut der Wissenschaftler von Lampen, Himmelsstrahlern und Leuchtreklamen angezogen und sterben dann dort durch Erschöpfung oder als leichte Beute von Räubern. Bereits frühere Studien legten nahe, dass die künstlichen Lichtquellen wie ein “Staubsauger” wirken: Auf einem Versuchsfeld im Westhavelland schwirrten an erleuchteten Straßenlaternen bis zu 260-mal so viele Insekten wie in der dunklen Umgebung. „Daher könnte Lichtverschmutzung ein wichtiger Grund für den weltweiten Rückgang der Insekten sein“ konstatiert Kalinkat.
Spärliche Belege
Das Problem: Bisher gibt es zu den Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf die Insekten fast keine Studien, die den Zusammenhang langfristig über mehr als ein bis zwei Jahre untersuchen. Kalinkat und sein Team haben deshalb nun alle vorhandenen Daten gesammelt und anhand dessen eine Checkliste mit den Eckpunkten erstellt, die in zukünftigen Langzeit-Experimenten berücksichtigt werden sollten. „Direkte Beweise, dass künstliches Licht beim Insektenrückgang eine Rolle spielt, sind noch spärlich und wir schlagen eine Reihe von Schritten vor wie zukünftige Studien verbessert werden können, um diese Lücken zu schließen“, so die Forscher.
„Unsere Literaturrecherche ergab nur elf Studien, die die Entwicklung von Insektenpopulationen mit expliziter Berücksichtigung von Lichtverschmutzung über mehr als eine Saison verfolgten“, so das Forscherteam. „Fast alle dieser Studien wurden in Europa und Nordamerika durchgeführt, wobei nur eine Studie in Afrika stattfand.“ Zudem wurden hauptsächlich Schmetterlinge (Lepidoptera) und kaum andere Insektengruppen untersucht und auch immer nur eine Art von Lichtquelle, wie zum Beispiel ausschließlich weiße LED-Lampen.
Zeit, Raum und Messgeräte optimieren
Deshalb geben die Forscher nun Empfehlungen für künftige aussagekräftigere Insektenmonitorings. Demnach sollte die Studiendauer möglichst lang – auch über mehrere Jahreszeiten gehend – gewählt werden, um natürliche Schwankungen der Insektenpopulationen zu erfassen. „Je länger eine Zeitreihe, desto besser, um keine falschen Schlüsse zu ziehen“, erklären die Wissenschaftler. Die Untersuchungen sollten sich zudem nicht nur auf das Gebiet direkt um die Lichtquelle, sondern auch auf die gesamte umgebende Landschaft beziehen. Damit könnten andere Einflüsse des Insektenrückgangs wie eine verstärkte Landnutzung besser ausgeschlossen werden.
Zudem raten Kalinkat und seine Kollegen dazu, unterschiedliche Fallenarten und Fangmethoden einzusetzen, um eine möglichst hohe Insektendiversität zu erfassen. Dabei sollten nicht nur die Art der einzelnen Insekten, sondern auch etwa ihre Körper- und Augengröße dokumentiert werden. Da die Schmetterlinge, Käfer und Co. Farben und Intensitäten von Licht mit ihren Komplexaugen ganz anders wahrnehmen als der Mensch, sind zudem gängige lichttechnischen Angaben wie die Einheit der menschlichen Lichtwahrnehmung „Lux“ oft nicht ausreichend für derartige Studien. Zur genaueren Messung werden genaue, spektrale Messgeräte benötigt, so das Team.
Drängendes Problem
Studien nach diesen Empfehlungen seien dringend notwendig, so die Wissenschaftler. „Das globale ,Insektensterben‘ – in Form von Arten- und Bestandsrückgängen – ist eines der drängendsten Probleme in der Biologie und den Umweltwissenschaften mit möglichen Folgen für die Nahrungsmittelgewinnung, um nur ein Beispiel zu nennen“, betont Kalinkat. Anlässlich der momentan laufenden internationalen Woche des dunklen Himmels, der „Dark Sky Week”, laufen bereits erste Insektenmonitoring-Studien, um auf die Effekte der Lichtverschmutzung auf Insekten aufmerksam zu machen. So werden beispielsweise in Modellregionen im nördlichen und westlichen Brandenburg, im südlichen Mecklenburg und in dem hessischen Fulda, in denen es nachts noch sehr dunkel ist, Insekten an Lampen gesammelt, ihren Arten zugeordnet und gezählt.
Quelle: Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), Fachartikel: Insect Conservation and Diversity, doi: 10.1111/icad.12482