Genetische Faktoren sind für die Homosexualität bei Männern zu 35 Prozent und bei Frauen nur zu 18 Prozent mitbestimmend. Den größeren Einfluss auf die sexuelle Orientierung haben die Umwelteinflüsse, etwa auf den Fötus im Mutterleib oder auf das Kind in der Familie, haben schwedische Forscher um Niklas Långström vom Karolinska-Institut in Stockholm herausgefunden. In der bislang größten Studie zur Entstehung der Homosexualität befragten sie schwedische Zwillinge nach gleich- oder andersgeschlechtlichen Sexualkontakten. Die statistische Auswertung zeigte, dass die Erbanlagen nur eine moderate und Umweltfaktoren die größere Rolle für die sexuelle Orientierung spielen.
Aus Studien mit eineiigen und zweieiigen Zwillingen können Forscher ablesen, wie stark genetische Faktoren ein Verhalten oder auch eine Erkrankung prägen. Da eineiige Zwillinge im Unterschied zu zweieiigen Zwillingen über identische Erbanlagen verfügen, lassen sich Abweichungen zwischen den Gruppen der eineiigen und der zweieiigen Zwillinge auf genetische Ursachen zurückführen. Die Forscher um Långström untersuchten nun rund 3.800 schwedische Zwillingspaare im Alter von 20 bis 47 Jahren. Diese befragten sie, ob und mit wie vielen gleichgeschlechtlichen Partnern sie sexuellen Kontakt hatten.
Die Auswertung ergab, dass die Homosexualität bei Männern zu 35 Prozent durch die Gene und zu 65 Prozent durch die Umwelt geprägt ist. Bei Frauen liegen der genetische Anteil bei 18 Prozent und der Umweltanteil bei 82 Prozent. Die Forscher konnten sogar zwei verschiedene Arten von Umwelteinflüssen gesondert bestimmen: Die Homosexualität bei Frauen und Männern wird stark von der Entwicklung des Fötus im Mutterleib geprägt. Bei Frauen spielen zudem auch soziale Faktoren wie das familiäre Umfeld eine Rolle, bei Männern hingegen kaum.
Die Forscher stellen fest, dass es kein “Schwulen-Gen” geben kann ? angesichts dieser komplexen Abhängigkeit der Homosexualität von genetischen wie Umwelteinflüssen. Ihre Ergebnisse stimmen recht gut mit denen anderer Studien überein. Allerdings schränken die Forscher ein, dass mit der simplen Frage nach gleichgeschlechtlichen Partnerschaften die Homosexualität etwas zu grob beschrieben sei, da viele Zwischenstufen wie etwa romantische Fantasien oder die Anziehungswirkung des gleichen Geschlechts ausgeblendet sind.
Niklas Långström (Karolinska-Institut, Stockholm) et al.: Archives of Sexual Behavior, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1007/s10508-008-9386-1 ddp/wissenschaft.de ? Martin Schäfer