Bei der Nervenregeneration nach Rückenmarksverletzungen spielt die Isolationsschicht um die Nervenzellen eine wichtigere Rolle als bislang angenommen: Amerikanische Forscher haben entdeckt, dass einer der Inhaltsstoffe dieser so genannten Myelinschicht eine effektive chemische Barriere bildet, die das Zusammenwachsen der Nerven verhindert. Gelänge es, die blockierende Wirkung der Substanz namens Ephrin-B3 zu verhindern, könnte möglicherweise die Regenerationsfähigkeit der Rückenmarksnerven verbessert werden.
Myelin, eine Mischung verschiedener Proteine und anderer Moleküle, umgibt wie die isolierende Kunststoffschicht um ein Kabel die langen Fortsätze von Nervenzellen. Dabei sorgt es einerseits für die Stabilität der Nerven und verhindert andererseits, dass es durch Kontakte zwischen verschiedenen Nervenzellen zu elektrischen Kurzschlüssen kommt. Bereits seit längerer Zeit wird Myelin jedoch auch eine Doppelrolle bei
Rückenmarksverletzungen zugeschrieben: Das freigesetzte Myelin fördert offenbar nicht nur die problematische Narbenbildung, sondern blockiert zusätzlich auch das Wachstum der Zellen. Welche Bestandteile der Isolationsschicht jedoch dafür verantwortlich sind, ist bislang nur teilweise geklärt.
Eine Schlüsselrolle dabei spielt Ephrin-B3, konnten die Wissenschaftler um Benson nun nachweisen. Dieser Stoff ist bereits aus der Embryonalentwicklung bekannt, wo er neu gebildete Nervenfasern in die richtige Richtung dirigiert. Dazu bildet das Ephrin überall dort, wo die Nerven nicht hingehören, abstoßende Hindernisse, so dass die Zellen nicht weiterwachsen können. Was jedoch beim Embryo für die korrekte Gehirn- und Rückenmarksentwicklung unerlässlich ist, verhindert beim erwachsenen Menschen die Heilung von Nervenverletzungen: Ließen die Forscher nämlich ausgereifte Nervenzellen im Labor zusammen mit Ephrin-B3 wachsen, reagierten die Neuronen genauso wie nach einer Verletzung und stellten jegliches Wachstum ein.
Die Wissenschaftler sind überzeugt, mit Ephrin-B3 einen der Schlüsselfaktoren der Wachstumsblockade identifiziert zu haben. Bevor jedoch Rückenmarksverletzungen tatsächlich geheilt werden können, müssen zusätzlich weitere Schwierigkeiten überwunden werden ? beispielsweise die Narbenbildung oder die extrem langsame Wachstumsrate der Nervenzellen.
Douglas Benson (Universität von Texas, Dallas) et al.: PNAS, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1073/pnas.0504021102
ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel