Sie wälzen sich mit Genuss in den miefenden Hinterlassenschaften: Was hinter der seltsamen Vorliebe der Pandabären für Pferdemist steckt, haben Forscher bis auf die molekulare Ebene hinunter aufgedeckt. Die Tiere zeigen das Verhalten demnach nur bei niedrigen Temperaturen. Ausgelöst wird es den Untersuchungen zufolge durch flüchtige Substanzen in den Exkrementen, die eine erstaunliche Wirkung besitzen: Sie beeinflussen die Reaktionen der Temperaturrezeptoren und hemmen dadurch das Kälteempfinden. Die Pandabären wälzen sich also offenbar im Pferdemist, um weniger zu frieren, sagen die Wissenschaftler.
Niedlich, charismatisch und bedroht: Der Große Panda (Ailuropoda melanoleuca) ist die Attraktion vieler Zoos und ein weltbekanntes Symboltier für den Artenschutz. Seine Prominenz hat ihn auch zu einem beliebten Forschungsobjekt gemacht. Im aktuellen Fall war es allerdings ein sehr kurios wirkendes Verhalten, dem sich ein Team aus chinesischen Wissenschaftlern gewidmet hat. Wie Wenliang Zhou von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking und seine Kollegen berichten, gab es verschiedene Hinweise darauf, dass Pandabären ein mysteriöses Interesse für Pferdemist besitzen: Wenn möglich, wälzen sich die Tiere in den Haufen, ging aus Anekdoten hervor. Gelegenheit haben sie dazu offenbar schon lange, denn seit vielen Jahrhunderten führen Handelswege durch das Verbreitungsgebiet der Pandas im Zentrum Chinas, schreiben die Forscher.
Einem kuriosen Verhalten auf der Spur
Im Rahmen ihrer Studie sind sie dem seltsamen Verhalten nun ausgesprochen akribisch auf den Grund gegangen. Zunächst untersuchten sie durch Auswertungen der Aufnahmen von Videokameras, inwieweit wildlebende Pandabären sich tatsächlich für Pferdemist interessieren. Sie bestätigten, dass sich Männchen und Weibchen von den Exkrementen angezogen fühlen, sich darin wälzen und sich damit regelrecht einschmieren. Die Auswertungen der Daten offenbarten dabei eine Vorliebe für relativ frische, „duftige“ Haufen sowie eine Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur: Die Tiere zeigen das Verhalten demnach nur im Winterhalbjahr, wenn die Werte zwischen -5 und 15 Grad Celsius liegen.
Anschließend ergründeten die Wissenschaftler, welche Substanzen im Pferdemist das Interesse der Bären wecken. Wie sie berichten, rückten dabei zwei Formen der flüchtigen Substanz Beta-Caryophyllen in den Fokus, die typischerweise in dem Dung vorkommen. Experimente mit Pandabären im Zoo von Peking zeigten dann: Wenn man Stroh mit diesen Substanzen „beduftet“, beginnen sich die Tiere auch in diesem Material zu wälzen. Es handelt sich bei den Beta-Caryophyllenen also tatsächlich um die ausschlaggebenden Stoffe.
Behandlung gegen das Frösteln
Doch warum könnten sich die Tiere für sie interessieren und warum ausgerechnet bei niedrigen Temperaturen? Um der Frage nachzugehen, ob die Beta-Caryophyllene etwas mit dem Temperaturempfinden bei Säugetieren zu tun haben, führten die Forscher Versuche mit Mäusen durch. So konnten sie zeigen: Versuchstiere, die an den Substanzen geschnuppert hatten, zeigten sich gegenüber Kälte weniger empfindlich. Sie waren demnach eher dazu bereit, auf eine kalte Platte zu laufen und zeigten bei vier Grad Celsius auch weniger ausgeprägt die typischen Verhaltensweisen, die normalerweise mit Kälteempfindungen verbunden sind.
Somit lag der Verdacht nahe, dass die Beta-Caryophyllene mit einem molekularen Temperatursensor der Tiere interagieren und dabei eine erhöhte Kältetoleranz hervorrufen. Um dies auch konkret im Fall der Pandas zu überprüfen, nutzten die Forscher Genom-Daten: Auf der Grundlage von genetischen Informationen stellten sie Thermosensoren der Bären im Labor her. Durch molekularbiologische Untersuchungen konnten sie anschließend zeigen, dass die Beta-Caryophyllene die Funktion dieser Sensoren tatsächlich beeinflussen: Sie hemmen demnach deren Aktivierung durch Kälte. Mit anderen Worten: Das Kältegefühl wird unterdrückt.
Zhou und seine Kollegen betrachten das kuriose Rätsel somit nun als gelöst: Offenbar verschaffen sich die Pandas durch die Beta-Caryophyllene im Pferdemist Erleichterung von dem unangenehmen Kältegefühl, wenn die Temperaturen in ihrem Lebensraum auf kritische Werte sinken.
Quelle: PNAS, doi: 10.1073/pnas.2004640117