Die Muskelfasern enthalten ein Eiweißmolekül, das einen doppelten Rekord hält: Es ist nicht nur das größte Protein im Körper, es geht auch die festeste Verbindung zu einem anderen Eiweißmolekül ein, die Forscher je gemessen haben. Das haben jetzt Wissenschaftler aus München und Hamburg nachgewiesen. Mit dieser Rekordverbindung ist das Protien namens Titin an bestimmten Punkten der Muskelfaser verankert und schafft so überhaupt erst die Voraussetzungen für die korrekte Funktion des Muskels. Allerdings ist die Festigkeit der Bindung sozusagen eine eindimensionale Sache: Entgegen der Richtung, in der sich die Muskelfaser zusammenzieht und dehnt, hält die Verbindung kaum etwas aus ? ähnlich wie ein Haken, der zwar in Zugrichtung bombenfest hält, sich jedoch löst, sobald die Kraft aus der anderen Richtung kommt.
Der Rekordhalter Titin, auch Connectin genannt, ist ein faserförmiges Protein und besteht aus über 34.000 Aminosäure-Bausteinen. Er gilt als eine Art molekulares Lineal, an dem sich die verschiedenen Bestandteile der Muskelfasern orientieren, während sie sich zu einer Grundeinheit zusammenlagern. Wie gut diese Grundeinheit schlussendlich funktioniert, hängt zu einem großen Teil davon ab, wie fest Titin in einer Struktur namens Z-Scheibe verankert ist. Schon frühere Studien hatten darauf hingedeutet, dass für diese Verankerung eine ganze Batterie an sogenannten Wasserstoffbrückenbindungen verantwortlich ist, eine Kopplungsvariante, bei der jede Bindung einzeln nur wenig Festigkeit besitzt, die aber in einer Kombination aus mehreren Bindungen sehr stabil sein können.
Morten Bertz und seinen Kollegen aus München gelang es jetzt zum ersten Mal, die Festigkeit dieses Arrangements direkt zu messen: Sie hätten im Durchschnitt eine Kraft von 707 Piko-Newton aufwenden müssen, um die beiden Proteine voneinander zu trennen, berichten die Forscher. Diese Kraft übertreffe alle jemals gemessenen Stabilitäten in Proteinstrukturen oder -komplexen. Selbst eine echte chemische Bindung wie beispielsweise die zwischen Sauerstoff und Wasserstoff im Wasser sei nur etwa doppelt so fest wie die Kombination der sonst eher schwachen Wasserstoffbrückenbindungen.
Das galt allerdings nur, wenn die Kraft so auf den Proteinkomplex einwirkte, wie sie das auch im Muskel beim Zusammenziehen und Dehnen tut. Zogen die Wissenschaftler in entgegengesetzter Richtung oder in einem gewissen Winkel an den Eiweißen, zerfiel der Komplex sehr viel schneller. Eine solche gerichtete Molekülbindung komme in einer idealen Weise den Anforderungen entgegen, die bei mechanischer Belastung an das Muskelgewebe gestellt werden, so die Forscher. Ein solches Prinzip könne daher möglicherweise auch beim Entwerfen von bionischen Systemen oder nanotechnologischen Anwendungen als Vorbild dienen.
Morten Bertz (Technischen Universität München) et al.: PNAS, Online-Vorabveröffentlichung doi: 10.1073/pnas.0902312106 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel