Bislang herrschte die Meinung, dass die Insekten sich bei ihren Wanderungen mehr oder weniger vom Wind treiben lassen. Doch eine Beobachtung von Shashar und seinem Team ließ Zweifel an dieser These aufkommen: Die Heuschrecken hatten bei ihrem Einfall 2004 durch eine Änderung der Flugrichtung vermieden, den Golf von Eilat, einen Seitenarm des Roten Meeres, zu überqueren. Die Wissenschaftler untersuchten daher, wie die Tiere zwischen Wasser und Land unterscheiden konnten. Sie konzentrierten sich dabei auf die Fähigkeit der Heuschrecken, polarisiertes Licht zu identifizieren, also Licht, in dem die einzelnen Strahlen in die gleiche Richtung schwingen. Die Wahrnehmung von polarisiertem Licht ist eine Kunst, die Fische und Insekten beherrschen, die den Menschen jedoch abgeht.
Die Tiere flogen eindeutig lieber über trockene als über nasse und spiegelnde Flächen, zeigte die Untersuchung einzelner Heuschrecken. Grund dafür sei, dass eine trockene Oberfläche eher diffuses, nicht-polarisiertes Licht reflektiert, in dem die Strahlen in die unterschiedlichsten Richtungen schwingen, erklärt Shashar. Wasser spiegelt dagegen polarisiertes Licht wider. Die Vermeidungstaktik ist dabei ein natürlicher Überlebensinstinkt der Heuschrecken, da Wasseroberflächen wie das Meer ihnen weder Fress- noch Landemöglichkeiten bieten.
Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Entdeckung helfen wird, wirkungsvolle Maßnahmen gegen Heuschreckenplagen zu entwickeln. So könnten beispielsweise Plastikschilde eingesetzt werden, um polarisiertes Licht zu produzieren und den gefräßigen Insekten eine Wasseroberfläche vorzutäuschen.
Nadav Shashar (Hebräische Universität, Jerusalem) et al.: Proceedings of the Royal Society: Biology Letters, Online-Vorabveröffentlichung, DOI:10.1098/rsbl.2005.0334