Lang, kurz, geringelt oder buschig: Bei den meisten Tieren ist hinten etwas dran – viele besitzen allerdings nur einen sehr kleinen, manche sogar überhaupt keinen Schwanz: Die Menschenaffen und auch der Mensch verzichten beispielsweise ganz auf den Fortsatz der Wirbelsäule. Doch was entscheidet über Existenz und Ausprägung dieses Anhängsels? Auf dieses Thema hat uns Mirjam G. aufmerksam gemacht – vielen Dank dafür.
“Der Schwanz ist tatsächlich eines der variabelsten Körperteile in der Tierwelt”, bestätigt André Schüle vom Zoo Berlin. Dieser Körperteil erfüllt bei verschiedenen Tierarten ganz unterschiedliche Funktionen, verdeutlicht der Tierexperte anhand einiger Beispiele. “Bei bestimmten Affenarten ist er besonders lang und kräftig und dient als eine zusätzliche Hand beim Hangeln in den Bäumen”, sagt Schüle. Beim Bieber hat der platte Schwanz hingegen die Funktion eines Ruders.
Eines der variabelsten Körperteile in der Tierwelt
Andere Funktionen sind hingegen nicht so leicht erkennbar – aber dennoch für die jeweilige Tierart wichtig: „Viele Tiere benötigen die flexible Körperverlängerung für die Balance bei ihren Bewegungen: Katzen benutzen den Schwanz beispielsweise als Gewichtsausgleich bei ihren schnellen Manövern und auch das Känguru braucht den langen Fortsatz zur Stabilisierung seiner Sprünge. „Ein Schwanz kann sogar eine gemütliche Decke sein“, sagt Schüle: Der Fuchs oder das Eichhörnchen decken sich mit ihrem buschigen Anhängsel beim schlafen zu. Kuh und Pferd dient der Schwanz dagegen, um Fliegen zu verscheuchen.
“Zur Kommunikation kann er ebenfalls dienen”, führt Schüle weitere aus. Mit dem Schwanz kann der Hund bekanntlich emotionale Zustände ausdrücken: Hat er Angst, klemmt er ihn zwischen die Hinterbeine. Sogar die besonders kleinen Anhängsel sind häufig durchaus nicht funktionslos, weiß der Tierexperte: “Das Flusspferd benutzt beispielsweise sein Schwänzchen als Kotschleuder, um sein Revier möglichst weitreichend zu markieren”. Und Babyelefanten greifen nach dem Schwanz der Mutter, um den Kontakt nicht zu verlieren.
Unnötiges bildet sich im Lauf der Evolution zurück
Bleibt die Frage, warum der Mensch, Menschenaffen und auch einige weitere Tierarten den Fortsatz im Laufe ihrer Entwicklungsgeschichte verloren haben. “Alles, was sich nicht rentiert, bildet sich in der Evolution zurück, um keine unnötigen Ressourcen zu verschwenden”, erklärt Schüle. Wir brauchen den Schwanz weder unbedingt zur Kommunikation noch zur Bewegung oder für irgendeine weitere Funktion, die er erfüllen könnte. In der Lebensweise der Vorfahren der Menschenaffen und des Menschen hat der Schwanz zunehmend seine Bedeutung verloren und sich deshalb zurückgebildet.
Dass auch unsere Urahnen einst einen Schwanz besaßen, dokumentiert übrigens eine kuriose Laune der Natur: Manche Menschen kommen mit einem kleinen Schwanz zur Welt. “Phänomene dieser Art nennt man Atavismus”, erklärt Schüle. Als Ursache dafür gilt: Einige “eingemottete” Anlagen, die bei unseren stammesgeschichtlichen Vorfahren noch aktiv waren, werden “versehentlich” reaktiviert. So kann auch das Schwanz-Erbe wieder „hochkommen“ und zur Entwicklung eines verlängerten Steißbeins beim Menschen führen.
Wenn Sie auch eine Frage oder einen Themavorschlag für unsere Rubrik „Nachgefragt“ haben, schicken Sie uns einfach eine E-Mail an: fragen@wissenschaft.de