Die Blätter von Pflanzen erhalten ihre typische Form durch den Wasserdruck im Inneren. Doch wenn die Pflanzen durch Wassermangel austrocknen, schrumpeln ihre Blätter auf charakteristische Weise zusammen. Die Blätter der Bambuspalme falten sich beim Austrocknen beispielsweise entlang präziser Linien und bilden eine fächerähnliche Form. Forschende haben nun herausgefunden, über welche Mechanismen dies geschieht. Ursache sind demnach spezielle Zellen, die den Blättern als Scharniere dienen.
Wenn die Blätter der Bambuspalme Rhapis excelsa zu wenig Wasser erhalten und austrocknen, falten sie sich zu einer gewellten Zick-Zack-Form zusammen, die einem Papierfächer ähnelt. Je mehr Wasser die Pflanze verloren hat, desto stärker verformen sich ihre Blätter. Aber wie genau läuft diese Faltung ab?
Wie entsteht das typische Faltungsmuster?
Dieser Frage ist ein Forschungsteam um Kexin Guo von der Nanyang Technological University in Singapur nachgegangen. Die Biologen beobachteten, in welchem Muster und Ausmaß sich trocknende Blätter der Palme verformen. Zudem untersuchten sie Querschnitte von verschiedenen Abschnitten der Blätter unter dem Mikroskop. Die Daten gaben sie anschließend in ein Computermodell ein und simulierten damit den Vorgang der Austrocknung.
Dabei stellten Guo und sein Team fest: Die Faltung der Bambusblätter erfolgt nicht als gleichmäßiges Zusammenrollen oder -ziehen über die gesamte Blattfläche, sondern spezifisch und präzise entlang der rippenförmig angeordneten Venen der Blätter. Oberhalb dieser Venen befinden sich spezielle Pflanzenzellen, die größer und länger sind als benachbarte Zellen, wie die Mikroskopaufnahmen enthüllten. Diese Zellen dienen beim Austrocknen der Blätter als Scharniere, indem sie mehr Wasser verlieren und stärker schrumpfen als andere Zellen, wie Guo und seine Kollegen feststellten. Dadurch knicken die Blätter präzise an diesen Venen-Kanten ab – und zwar abwechselnd zur einen oder anderen Seite. Der Winkel der Knicke wird dabei umso kleiner, desto weniger Wasser in den Blättern vorhanden ist, bis schließlich ein minimal möglicher Winkel erreicht ist. Die „Scharnierzellen“ sind somit die Ursache für die zickzackförmige Verformung der Palmblätter.
Wasser-sensitive Maschine nach Vorbild von Bambusblättern
Die Ergebnisse zeigen damit am Beispiel der Bambuspalme, wie Blattform und Wassergehalt von Pflanzen zusammenhängen. „Die in dieser Arbeit identifizierten Mechanismen der Wellfaltung in Rhapis excelsa liefern ein allgemeines Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Pflanzenblättern und Wasser“, so das Team. Das Wissen kann nun auch genutzt werden, um weiche, verformbare Bauteile mit definierten Kanten für die Elektronik und Robotik zu entwerfen, die durch den Wassergehalt reguliert werden, wie Guo und seine Kollegen berichten. Basierend auf dem entdeckten Mechanismus der Bambuspalme entwarfen sie bereits verschiedene Konstruktionen, die diesen Prozess nachahmen.
Dafür verwendeten die Wissenschaftler ein elastisches Material als Plattenbasis und Scharniere aus einem Hydrogel, das sich als Reaktion auf den Wassergehalt in der Umgebung ausdehnt oder zusammenzieht. Während der Austrocknung schrumpft das Hydrogel stärker als das Elastomer, wie erste Tests ergaben. Dadurch entstehen genau wie bei den Bambusblättern präzise Falten in der Struktur. Wurde die Konstruktion anschließend Wasser hinzugefügt, flachten sich diese Falten wieder zu einer ebenen Fläche ab, wie das Team berichtet. „Wir demonstrieren Beispiele biomimetischer weicher Maschinen, die autonom in der Lage sind, als Reaktion auf Wasserverdunstung oder Rehydrierung ihre Form zu ändern.“ Nach diesem Prinzip könnten nun beliebige weitere, wasserbetriebene Maschinenbauteile mit faltbaren Kanten entwickelt werden.
Quelle: Kexin Guo (Nanyang Technological University) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), doi: 10.1073/pnas.2320259121