Ein mit den heutigen Vögeln verwandter Dino im Visier: Der kleine Räuber Troodon war warmblütig und brütete seine Eier in Gemeinschaftsnestern aus, besaß aber überraschenderweise noch bestimmte Reptilienmerkmale. All diese Informationen konnten Paläontologen erstaunlicherweise aus seinen Eierschalen „herauslesen“. Sie wandten dazu eine Methode zur genauen Bestimmung der Temperatur an, bei der die Kalkstrukturen entstanden sind. Die Studie wirft nun weiteres Licht auf die Entwicklungsprozesse, die von den Dinosauriern zu den Vögeln führten, sagen die Forscher.
Eigentlich sind sie nicht wirklich ausgestorben, heißt es: Wer einen „Dinosaurier“ bestaunen möchte, braucht meist nur aus dem Fenster zu blicken, denn Vögel gelten als die direkten Nachfahren der Herrscher der Jura- und Kreidezeit. Mittlerweile gilt als gesichert, dass sie sich im Verlauf von Jahrmillionen aus einer Gruppe von Dinosauriern entwickelt haben, die als Theropoden bezeichnet werden. Die schrittweise Transformation von den ursprünglichen Formen zu den Vögeln gehört zu den faszinierendsten Themen in der Paläontologie. Dabei gibt es noch immer offene Fragen dazu, wie die Veränderungen des Fortpflanzungssystems, der Niststrategien und der Übergang zur für die heutigen Vögel typischen Warmblütigkeit abgelaufen sind.
Im Fokus der aktuellen Studie stand nun ein bereits aus früheren Studien bekannter Dinosaurier, der zur Gruppe der Theropoden gehörte: Troodon war ein etwa zwei Meter langer Fleischfresser, der vor etwa 75 Millionen Jahren auf zwei Beinen durch die Landschaften des heutigen Nordamerika lief. Er konnte zwar nicht fliegen, besaß aber schon einige deutlich vogelähnliche Merkmale wie hohle und leichte Knochen und gefiederte Flügel. Es wurden auch Eier und Nester von Troodon gefunden. Die Weibchen legten demnach bereits Eier, die mehr den asymmetrischen Versionen moderner Vögel glichen als den runden Eiern von Reptilien.
Charakteristische Signaturen in fossilen Eierschalen
Im Rahmen ihrer Studie haben die Forscher um Mattia Tagliavento von der Goethe-Universität Frankfurt nun einige gut erhaltene Troodon-Eierschalen in spezieller Weise unter die Lupe genommen: Sie analysierten das darin enthaltene Kalziumkarbonat. Die Forscher nutzten dafür eine an der Goethe-Universität bereits zuvor entwickelte Methode: die sogenannte „dual clumped isotope thermometry“. Dabei wird analysiert, inwieweit schwere Elementvarianten (Isotope) von Sauerstoff und Kohlenstoff im Karbonat nebeneinander gruppiert vorkommen. Wie die Forscher erklären, ist das Ausmaß dieser „Isotopengruppierung“ temperaturabhängig. Dadurch wurde es möglich, die Temperatur zu bestimmen, bei der die Karbonate in den Eierschalen einst auskristallisiert waren.
Wie das Team berichtet, zeichnete sich in den Analyseergebnissen ab, dass die Karbonate und damit die Eierschalen bei Temperaturen von 42 und 30 Grad Celsius gebildet wurden. Dies untermauerte somit die Annahme, dass diese Tiere nicht mehr wechselwarm wie Reptilien, sondern bereits ähnlich warmblütig waren wie die heutigen Vögel. “Die Isotopenzusammensetzung der Eierschalen zeigt, dass Troodon eine Körpertemperatur von 42 Grad Celsius besaß und in der Lage war, diese auf etwa 30 Celsius zu senken – ähnlich wie es von modernen Vögeln bekannt ist”, sagt Tagliavento.
Rückschlüsse auf Brutverhalten
Um das Potenzial der isotopischen Eierschalenanalyse noch weiter auszuloten, führten die Forscher anschließend vergleichende Untersuchungen durch. Sie erfassten die Isotopenzusammensetzung der Eierschalen verschiedener Reptilienarten sowie von Vögeln. Wie sie berichten, zeichneten sich dabei zwei grundlegend charakteristische Isotopensignaturen ab: Die Schalen von Reptilieneiern haben eine Isotopenzusammensetzung, die offenbar typisch für eine langsame Bildung bei Umgebungstemperatur ist. Bei Vögeln ist hingegen ein Muster erkennbar, das offenbar mit ihrer vergleichsweise schnellen Eierschalenbildung zusammenhängt. „Wir glauben, dass diese sehr hohe Produktionsrate damit zusammenhängt, dass Vögel im Gegensatz zu Reptilien nur einen Eierstock haben. Da sie jeweils nur ein Ei nach dem anderen produzieren können, müssen Vögel dies deshalb sehr schneller tun“, erklärt Tagliavento.
Damit wendete sich der fragende Blick wieder auf Troodon: In den Eierschalen dieser Dinos konnten die Forscher die für Vögel typische Isotopenzusammensetzung interessanterweise nicht feststellen. „Daraus geht hervor, dass Troodon seine Eier noch auf eine Weise gebildet hat, die eher mit derjenigen der modernen Reptilien vergleichbar ist. Vermutlich bestand sein Fortpflanzungssystem demnach auch noch aus zwei Eierstöcken“, erklärt Tagliavento. Unter der Berücksichtigung des bekannten Körper- und Eierschalengewichts von Troodon berechneten die Paläontologen dann, dass diese Tiere wohl nur vier bis sechs Eier pro Fortpflanzungsphase hervorbringen konnten.
Dieses Ergebnis bildet dann wiederum einen Hinweis auf eine mögliche Verhaltensweise dieser Tiere: „Diese Beobachtung ist besonders interessant, weil Troodon-Nester normalerweise groß sind und bis zu 24 Eier enthalten“, erklärt Tagliavento. „Wir denken, dass dies ein deutlicher Hinweis darauf ist, dass Troodon-Weibchen ihre Eier in Gemeinschaftsnester legten. Ein solches Verhalten beobachten wir heutzutage beispielsweise auch bei den modernen Straußen“, sagt die Forscherin.
Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main, Originalveröffentlichung: PNAS, doi: 10.1073/pnas.2213987120