Futterneid sorgt für Ordnung im Wald: Die komplexen Schritte im Prozess der Laubzersetzung werden von Millionen verschiedenster Mikroben am Waldboden übernommen. Neuste Untersuchungen haben nun ergeben, dass die Aufgabenverteilung unter diesen Zersetzern durch starke Konkurrenz um die beste und schnellste Anpassung an die Zersetzungsfunktionen erfolgt – und dabei geht es nicht immer friedlich zu.
Mikroorganismen sind entscheidende Faktoren im Ökosystem Wald: Mit bloßem Auge nicht zu erkennen, besiedeln sie doch zu Abermillionen den Waldboden und zersetzen herabfallendes Laub, abgestorbene Pflanzen und Totholz. Damit bringen sie wichtige organische Komponenten wie Kohlenstoff zurück in den Kreislauf des Waldes und erhalten die Qualität des Waldbodens. Aber wie teilen die Mikroben die verschiedenen Aufgaben des Laubabbaus untereinander auf? Arbeiten die verschiedenen Mikrobengemeinschaften zusammen oder konkurrieren sie untereinander?
Ein Molekülgemisch bringt Licht in Dunkel
Die Interaktion der Destruenten-Kommunen während der Zersetzung haben nun Simon Schroeter vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena und seine Kollegen genauer ins Auge gefasst. Dafür analysierten sie Stichproben von gelöster organischer Materie – einer komplexen Mischung aus den Molekülen der Laubschicht und Naturstoffen aus der Umwelt. Da dieses Material auch Bestandteile der Mikroorganismen enthält, gibt die chemische Analyse auch Auskunft über den aktiven mikrobiellen Stoffwechsel in dem Material – und damit über die Rolle der Mikroben beim Zersetzen von Laub.
Die Forschenden untersuchten so über 6000 Moleküle, die in gelösten organischen Substanzen aus der Laubstreu von Buche, Eiche, Kiefer und Grasstreu vorkamen. Die Proben entnahmen sie zwei unterschiedlichen Standorten in Thüringen und in Brandenburg. „Obwohl uns die genaue Struktur der einzelnen Moleküle noch weitgehend unbekannt war, gelang es, sie mit einer Netzwerkanalyse nach ihrer möglichen Herkunft gruppieren“, berichtet Schroeter. Die so gefundenen Molekülgruppen konnten dann mithilfe von mikrobiologischen Datenbanken den verschiedenen Stoffwechselwegen zugeordnet werden.
Ellenbogen-Taktik am Waldboden
Die Ergebnisse enthüllen einen verblüffenden Zusammenhang: Anscheinend hängt die Aufgabenverteilung nicht davon ab, wer welche Funktion besser übernehmen kann. Denn die mikrobiellen Gemeinschaften, seien es nun Pilze oder Bakterien, haben alle ähnliche Voraussetzungen für die Zersetzung und sind in der Lage die gleichen Funktionen zu übernehmen. Viel mehr geht es darum, wer sich am besten und schnellsten an die Gesamtsituation anpassen kann und durchsetzungsstark ist.
„Es scheint viel wichtiger zu sein, wie viel von der jeweiligen Funktion zu jedem Zeitpunkt lokal erfüllt werden kann und wie gut die jeweiligen Akteure innerhalb der Zersetzungsgemeinschaft in der Lage sind, diese Aufgabe zu erfüllen“, erklären Schroeter und seine Kollegen. Ist beispielsweise der erste Schritt bei der Zersetzung eines toten Blattes, das Aufweichen der Blattoberfläche, erledigt, gilt es nun, in das Blattgewebe einzudringen und dort weitere Zersetzungsprozesse in Gang zu setzen. Die Analysen der Forschenden zeigten, dass sich die Mikroben innerhalb weniger Tage an diese unterschiedlichen Aufgaben anpassen können.
Beim Konkurrieren um die schnellste Anpassung an die neuen Zersetzungsprozesse – und damit um das größte Nahrungsangebot – geht es allerdings nicht immer friedlich zu, wie Analysen der Zwischen- und Endprodukte des Mikrobenstoffwechsels verrieten. Demnach produzieren die Mikroorganismen hemmende und sogar tödliche Antibiotika, mit denen sie ihre Konkurrenten gezielt schwächen oder ausschalten. Dadurch verschaffen sie sich einen starken Wettbewerbsvorteil in der Konkurrenz um das Nahrungsangebot.
Konkurrenz spornt an
Die gegenseitige Ausschaltung von Destruenten klingt im ersten Moment nicht sehr vorteilhaft für das Ökosystem Wald. Doch Schroeter und seine Kollegen sehen in diesem Wettbewerb ein Vorantreiben und Optimieren der Anpassung der mikrobiellen Gemeinschaft. Der Streit ums Essen könnte also durchaus konstruktiv sein und diejenigen Spezies unterstützen, deren Fähigkeiten sehr gut an das Nahrungsangebot angepasst sind – und damit die Spezies begünstigen, die am besten für den Waldboden und das Ökosystem ist.
Quelle: Max-Planck-Institut für Biogeochemie; Fachartikel: Nature Portfolio, doi: 10.1038/s41598-022-11485-1