Nur knapp der Ausrottung entkommen, zeichnet sich jetzt Erholung der Bestände des zweitgrößten Tiers der Welt ab: Forscher haben bis zu 150 Finnwale beim gemeinsamen Fressen in der Antarktis beobachtet. Wie sie betonen, ist das Comeback der Meeresriesen doppelt erfreulich. Denn sie spielen eine wichtige Rolle für das Nährstoffrecycling im Südpolarmeer, sodass auch andere Arten im Ökosystem von der Bestandserholung profitieren.
Hart am Aus vorbeigeschrammt: Finnwale sind nach den Blauwalen die größten Tiere der Erde – und wie ihren Verwandten wurde ihnen der kommerzielle Walfang fast zum Verhängnis: Nur ein winziger Teil der ursprünglichen Population der Finnwale existierte noch, bis die Fangquote 1976 endlich auf null gesetzt wurde. Doch die Bestände der rund 22 Meter langen, und 70 Tonnen schweren Tiere erholten sich nur langsam. Nachdem bei einzelnen Expeditionen in den 2000er-Jahren wieder mehr Tiere gesichtet wurden, berichtet das Forschungsteam um Bettina Meyer vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven nun über deutliche Hinweise auf eine Erholung der Bestände.
„Fressaggregationen“ beobachtet
Die Expedition mit dem Forschungsschiff Polarstern sollte zunächst vor allem die Auswirkungen des Klimawandels auf den Antarktischen Krill untersuchen. Diese bis zu sechs Zentimeter langen Garnelen bilden die Basis des Nahrungsnetzes im Südpolarmeer: Sie dienen Fischen, Pinguinen, Robben und auch den Bartenwalen als Nahrung. Bei den Erkundungen stießen die Wissenschaftler neben den Schwärmen dieser kleinen Krebschen schließlich auch auf Südliche Finnwale (Balaenoptera physalus quoyi). Um sie zu zählen, schickten sie den Polarstern-Helikopter auf Erkundungsflüge. Bei 22 Einsätzen zählten die Wissenschaftler zunächst 100 Finnwal-Gruppen, die aus ein bis vier Tieren bestanden. Rund um die Elefanteninsel im Weddellmeer nahe der Antarktischen Halbinsel stießen sie dann allerdings auf erstaunlich große Gruppen: Gemeinsam tummelten sich etwa 50 bis 70 Tiere im Wasser. Wie die Forscher erklären, handelte sich um sogenannte Fressaggregationen.
„Ich bin direkt zu unserem Monitor geeilt, auf dem wir mittels akustischer Messverfahren sehen können, ob und in welchem Ausmaß sich Krillschwärme im Wasser befinden“, berichtet Bettina Meyer. „Tatsächlich konnten wir anhand der Daten Krillschwärme ausmachen und sogar sehen, wie die Wale den Krill gejagt haben. Ich habe noch nie so viele Wale an einem Ort gesehen und war total fasziniert davon, diese riesigen Gruppen beim Fressen zu beobachten“, sagt Meyer. Die Wissenschaftler und ein Team der britischen Rundfunkanstalt BBC kehrten im Jahr nach der Polarstern-Expedition dann mit einem eigens gecharterten Schiff zur Elefanteninsel zurück, um die Beobachtungen weiterzuführen. Dabei dokumentierten sie schließlich sogar Gruppen aus bis zu 150 Tieren.
Bestandserholung mit Zusatznutzen
„Diese hohe Tierdichte und das Wiederauftreten sogenannter Fressaggregationen, die seit Beginn des Walfangs nicht mehr beobachtet wurden, deuten auf eine Populationserholung hin“, erklärt Seniorautorin Helena Herr von der Universität Hamburg. Aus Sicht der Forscher zeigt das Verbot der Waljagd damit Erfolg. „Auch wenn wir die Gesamtzahl der Finnwale in der Antarktis mangels synchroner Beobachtungen nicht kennen, könnte es ein gutes Zeichen sein, dass sich die Finnwal-Population in der Antarktis fast 50 Jahre nach dem Verbot des kommerziellen Walfangs erholt“, freut sich Meyer.
Wie die Forscher hervorheben, ist das Comeback der Meeresriesen nicht nur aus der Sicht des Walschutzes erfreulich: Das gesamte Ökosystem kann profitieren. Denn die Ausscheidungen der Finnwale sorgen in den oberen Wasserschichten für mehr Nährstoffe, insbesondere Eisen, was wiederum dem Algenwachstum und damit anderen Lebewesen zugutekommt. Der Effekt, der als „Whale Pump“ bezeichnet wird, könnte auch im Kampf gegen den Klimawandel relevant sein: „Die Kleinstlebewesen, die von dem reicheren Nährstoffangebot profitieren, nehmen viel CO2 auf und leisten so einen wichtigen Beitrag zum Abbau von Kohlenstoff in der Atmosphäre“, so Herr. Die CO2-Bindung eines der weltweit bedeutendsten Meeresgebiete könnte durch die größeren Walpopulationen also gesteigert werden, sagen die Wissenschaftler.
Quelle: Universität Hamburg, Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Fachartikel: Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-022-13798-7