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Vor dem Eis waren die Flüsse

Erde|Umwelt

Vor dem Eis waren die Flüsse
Westantarktis
Heute liegt ein Großteil der Felsoberfläche in der Westantarktis unter dem Meeresspiegel. Das war jedoch nicht immer so. © Leamus/ iStock

Heute ist die Westantarktis von einem dicken Eispanzer und großen Gletschern bedeckt. Doch vor gut 34 Millionen Jahren gab es in diesem Gebiet eine sumpfige, flache Küstenebene, durch die ein großer, verzweigter Fluss strömte. Dieses transkontinentale Flusssystem reichte mehr als 1500 Kilometer weit und transportierte Schwemmmaterial von dem gerade frisch entstehenden Transantarktischen Gebirge bis an die Küste, wie ein Forschungsteam anhand von Bohrkernanalysen und seismischen Daten ermittelt hat. Dort, wo heute die Amundsensee liegt, mündete dieser Fluss ins Meer. Die Existenz des Flusssystems liefert damit neue Einblicke in die vergangene Entwicklung der Antarktis und ihrer Landschaften.

Heute ist die Antarktis ein isolierter, von kilometerdickem Eis bedeckter Kontinent. Doch das war nicht immer so: Noch bis vor rund 100 Millionen Jahren bildete sie den zentralen Teil des Superkontinents Gondwana. Als dieser zerfiel, blieb die Antarktis zunächst mit Australien und Teilen Südamerikas verbunden, bis sie sich vor rund 45 Millionen Jahren von diesen löste. Anders als heute war das Klima der Antarktis damals mild, trotz südpolarer Lage gab es noch keine ausgedehnten Eispanzer. Erst vor und 34 Millionen Jahren, am Ende des Eozäns, begann die zunehmende Vergletscherung des Südpolkontinents und eine fast geschlossene Eisdecke begrub die antarktischen Landschaften unter sich. Radar-Kartierungen des antarktischen Untergrunds zeigen jedoch, dass unter dem Eispanzer gewaltige Schluchten, ausgedehnte Vulkangebiete und Gebirge liegen. Auch erste Hinweise auf urzeitliche Flusssysteme haben Geologen entdeckt.

Bohrkern als Fenster in die Vergangenheit

Doch wie die Antarktis-Landschaft kurz vor der Vereisung des Kontinents aussah, ist bisher erst in Teilen geklärt. Neue Einblicke haben nun Maximilian Zundel von der Universität Bremen und seine Kollegen gewonnen. Für ihre Studie untersuchten sie Sedimentproben, die während einer Expedition des Forschungseisbrechers “Polarstern” in der Amundsensee vor der westantarktischen Küste gewonnen wurden. Die dort entnommenen Bohrkernproben stammen aus einer der südlichsten und ältesten Sedimentabfolgen der Amundsensee, wie das Team erklärt. Die Schichten des Bohrkerns reichen bis in die Kreidezeit zurück, enthalten aber auch Sandsteinschichten aus dem Eozän und damit aus der Zeit unmittelbar vor der Vereisung der Westantarktis. Um die Herkunft und das Alter des Gesteins zu ermitteln, führten die Forschenden chemische und mineralogische Analysen durch und datierten die Schichten mithilfe von Isotopenanalysen und Uran-Bleidatierung von Zirkonkristallen im Sediment.

Die Analysen ergaben, dass die meisten Minerale und Gesteinsbruchstücke dieser Proben in der Zeit vor 44 bis 34 Millionen in diesem Teil der Westantarktis deponiert wurden. Aus der Zusammensetzung der angelagerten Minerale schließen Zundel und sein Team, dass diese Körnchen und Kiesel nicht aus der Westantarktis stammten, sondern aus dem gut 1500 Kilometer entfernten Transantarktischen Gebirge am Rand der Ostantarktis. Dieses Gebirge begann sich durch vulkanische und tektonische Aktivität vor rund 44 Millionen Jahren zu heben. “Ein Ursprung im Transantarktischen Gebirge zeigt sich auch im Vorkommen von Arkose-Kieseln im Sandstein, die bemerkenswerte Übereinstimmungen mit dem Gestein der Kukri-Berge des Transantarktischen Gebirges zeigen”, erklären die Forschenden. Als Arkose bezeichnen Geologen einen dunkel gefärbten Sandstein, der besonders viel Feldspat enthält.

Ein Fluss vom Gebirge bis ans Meer

Nähere Analysen ergaben zudem, dass dieses Sediment damals nicht von Meeresströmungen in das Gebiet der heutigen Amundsensee geschwemmt worden sein kann. Stattdessen muss ein Süßwasser führender Fluss die Körnchen transportiert haben, wie Zundel und sein Team berichten. Indiz dafür sind unter anderem Reste organischer Moleküle aus Zuckern und Kohlenwasserstoffen, die einst von Süßwasser-Blaualgen produziert wurden. “Die Daten deuten darauf hin, dass ein großes transkontinentales Flusssystem das Sediment vom jungen und gerade aufsteigenden Transantarktischen Gebirge den ganzen Weg durch die Westantarktis bis zum Südpazifik transportierte”, schreiben die Wissenschaftler. Dieses mehr als 1500 Kilometer lange Flusssystem mündete im Gebiet der heutigen Amundsensee in einem ausgedehnten, sumpfigen Flussdelta. Hinweise auf letzteres lieferten neben den seismischen Reflexionsmustern im Untergrund auch Körnchen des Minerals Kaolinit. Dieses Silikatmineral entsteht häufig im sauren Milieu von Mooren.

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Zusammengenommen legen diese Ergebnisse nahe, dass es vor der Vergletscherung der Westantarktis dort ein ausgedehntes Flusssystem gab, das diesen Teil des Kontinents einmal quer durchströmte – wahrscheinlich parallel zum Transantarktischen Gebirge, wie das Team erklärt. Die Präsenz eines solchen Flusses liefert damit wichtige Einblicke darin, wie die Landschaft vor der Vereisung ausgesehen hat – und korrigiert eine bisherige Annahme. Denn heute liegen weite Teile der Westantarktis unter dem Meeresspiegel. “Die Existenz eines transkontinentalen Flusssystems belegt jedoch, dass das Innere der Westantarktis damals noch über dem Meeresspiegel gelegen haben muss”, so Zundel und seine Kollegen. Die Region war im Eozän demnach von ausgedehnten, flachen Küstenebenen geprägt, die wegen ihres milden Klimas erst relativ spät vereisten.

Quelle: Maximilian Zundel (Universität Bremen) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.adn6056

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