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Von Krokodil und Hai gefressen

Paläontologie

Von Krokodil und Hai gefressen
Künstlerische Darstellung des Krokodil-Angriffs auf die urzeitliche Seekuh mit einem lauernden Hai im Hintergrund. © Jaime Bran Sarmiento

Fossile Spuren eines Schicksals vor Jahrmillionen: Eine urzeitliche Seekuh wurde einst von einem Krokodil durch eine Todesrolle getötet und diente anschließend auch einem Hai als Nahrung, geht aus einem Fund aus Venezuela hervor. Es handelt sich dabei um ein seltenes Beispiel von Spuren zweier unterschiedlicher Fleischfresser an einem Fossil. Die Entdeckung beleuchtet zudem die Jagdstrategien und die Nahrungskette im Bereich der Karibik zur Zeit des Miozäns, sagen die Forschenden.

Wer hat in einstigen Ökosystemen wen gejagt und wer trat als Aasfresser auf? In Bissspuren an fossilen Überresten lassen sich manchmal Hinweise auf diese sogenannten trophischen Wechselwirkungen zwischen Tieren der Vergangenheit gewinnen. Beim aktuellen Fall steht nun eine Lebenswelt im Fokus, die sich einst im Bereich des heutigen Nord-Venezuelas befand. Dort erstreckte sich im Zeitalter des Miozäns ein flacher Ausläufer der Proto-Karibik. Im flachen Küstenwasser dieser Meeresregion waren auch heute ausgestorbene Vertreter der Seekühe unterwegs – und dienten offenbar Räubern als Nahrung, wie der Fund belegt, über den die Forschenden um Aldo Benites-Palomino von der Universität Zürich nun berichten.

Entdeckt wurde das Fossil in einer Schicht der sogenannten Agua-Clara-Formation in der Nähe von Coro in Venezuela, die aus dem frühen bis mittleren Miozän stammt – vor etwa 23 bis 11,6 Millionen Jahren. „Wir erfuhren von dem Fundort durch einen dort ansässigen Bauern, der einige ungewöhnliche Felsen bemerkte“, sagt Seniorautor Sanchez-Villagra von der Universität Zürich. Überrascht stellte das Team bei den Untersuchungen dann fest, dass es sich um Seekuh-Fossilien handelt.

Seekuh-Fossil mit Zahnspuren

Die Ausgrabung förderte schließlich ein Teilskelett der urzeitlichen Seekuh zutage: Stücke des Schädels, achtzehn Wirbel sowie Rippenfragmente. Anhand der Merkmale konnten die Forschenden das Tier der Gattung Culebratherium zuordnen. Doch wie die genaueren Untersuchungen der fossilen Überreste zeigten, ist der Fund mehr als der fossile Nachweis einer urzeitlichen Seekuh: Das Team stieß an verschiedenen Stellen auf Bisspuren an den Knochen.

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Einige waren punktförmig, was darauf schließen lässt, dass sie von einem urzeitlichen Krokodil stammten, das offenbar im flachen Meerwasser auf Beutefang war.

Punktförmige Spur eines Krokodilzahns auf einem Knochen der Seekuh. © Marcelo Sánchez-Villagra/Jorge Carrillo-Briceño

Am sogenannten Rostrum – der knöchernen Basis der Schnauze der Seekuh – zeichneten sich dabei spezielle Zahnspuren ab: Sie tragen die Merkmale von Zug beziehungsweise Drehkraft. Den Forschenden zufolge spiegelt sich darin wider, dass das Krokodil wahrscheinlich versucht hat, die Seekuh zu ersticken, indem es sie an der Nase packte. Bestimmte Zahnspuren legen zudem nahe, dass der Räuber eine sogenannte Todesrolle ausführte. Auch heutige Krokodile setzten dies Technik noch ein, um den Schaden nach dem Verbeißen in die Beute durch Drehbewegungen zu erhöhen. Zahnabdrücke an anderen Knochen verdeutlichen zudem, dass das Krokodil erfolgreich war und schließlich Teile der Seekuh vertilgte.

Ein Festmahl für zwei

Ganz wurde das Opfer allerdings offenbar nicht zum Kroko-Festmahl: Das Team entdeckte an verschiedenen Stellen des Fossils Zahnspuren, die nicht von dem Reptil, sondern von einem Hai stammen. Eindeutig bestätigte dies schließlich der Fund eines Zahns im Bereich des Halses der Seekuh, den die Forschenden einem Tigerhai (Galeocerdo aduncus) zuordnen konnten. Ihnen zufolge geht aus den Befunden somit hervor: Die Seekuh wurde einst zunächst von einem urzeitlichen Krokodil erbeutet und angefressen, später hat sich dann ein Tigerhai als Aasfresser dem Rest der Beute gewidmet.

„Heutzutage beobachten wir oft, dass Kadaver, die von Raubtieren erbeutet werden, von anderen Tieren gefressen werden – aber fossile Hinweise für dieses Verhalten sind selten“, hebt Benites-Palomino hervor. „Außerdem zeigt diese neue Entdeckung die Bedeutung der Seekühe in der prähistorischen Nahrungskette der Region. Unsere Ergebnisse bieten damit einen seltenen Einblick in die komplexen Raubtier-Beute-Beziehungen des Miozäns vor etwa 23 bis 11,6 Millionen Jahren”, sagt der Paläontologe.

Quelle: Taylor & Francis Group, Fachartikel: Journal of Vertebrate Paleontology, doi: 10.1080/02724634.2024.2381505

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