Wo einst Boote schwammen, wirbelt nun der Wind die ausgetrockneten Sedimente auf: Die Wüste, die sich auf dem einstigen Gebiet des Aralsees ausgebreitet hat, beschert Zentralasien nun enorme Mengen an problematischem Staub. Dies verdeutlichen Untersuchungsergebnisse, über die ein deutsches Forschungsteam auf der Second Central Asian Dust Conference in Usbekistan berichtet. Die durch Rückstände aus der Landwirtschaft belasteten Partikel können demnach noch in weit entfernten Regionen die Luftqualität beeinträchtigen. Außerdem könnte der Staub das Wetter beeinflussen.
Einst besaß er etwa die Fläche Bayerns: Anfang der 1960er Jahre war der Aralsee mit 68.000 Quadratkilometern noch der viertgrößte See der Erde. Doch dann wurde dem zentralasiatischen Gewässer zunehmend der „Hahn abgedreht“: Durch die Nutzung der Flüsse Amudarya und Syrdarya zur Bewässerung der Landwirtschaft, gelangte immer weniger Wasser in den See. Der schwindende Zustrom konnte die Verdunstung dann schließlich nicht mehr kompensieren und so schrumpfte die Wasserfläche des Aralsees immer mehr. Mittlerweile hat sich auf seinem einstigen Gebiet die 60.000 Quadratkilometer große Aralkum-Wüste gebildet.
Der Verlust des Gewässers hat natürlich das Leben der Menschen in der Region stark verändert. Stattdessen habe sie es nun mit der neuentstandenen Trockenlandschaft zu tun. Es handelt sich dabei um den einstigen Seegrund, über den nun der heiße Wind wirbelt. Dadurch hat sich der Aralsee in eine gewaltige, menschengemachte Staubquelle verwandelt. Die Wüstenbildung könnte dadurch eine erhebliche Bedeutung für die Lebensbedingungen der Menschen und das Klima in der Region haben. Mit diesem Thema beschäftigt sich ein Forschungsteam um Jamie Banks vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) und von der Freien Universität Berlin. Nun haben sie Ergebnisse ihrer Forschung der letzten Jahre auf der Second Central Asian Dust Conference in der usbekischen Stadt Nukus präsentiert, berichtet TROPOS.
Weitreichende Staubbelastungen
Im Fokus der Wissenschaftler standen die Entwicklungen in der Zeitspanne von 1985 bis 2015. Um die Auswirkungen des Staubs der Aralkum-Wüste abzuschätzen, sammelten sie grundlegende Informationen zur Materialbeschaffenheit und den Oberflächeneigenschaften in der wachsenden Aralkum-Wüste. Außerdem flossen Informationen über die Windverhältnisse in den verschiedenen Jahren ein. Die Resultate lieferte dann schließlich das Atmosphären-Staub-Modell COSMO-MUSCAT, mit dem die Staubemissionen, Konzentrationen in der Atmosphäre sowie die Strahlungseffekte von Staubpartikeln simuliert werden konnten.
Wie die Forschenden berichteten, zeichnete sich in ihren Ergebnissen das Ausmaß der Staubbelastung durch die Aralkum-Wüste ab. In den letzten 30 Jahren haben sich die Staubemissionen aus der wachsenden Landfläche demnach etwa verdoppelt und erreichten 2015 rund 27 Millionen Tonnen im Jahr. Wie das Team erklärt, seien die Mengen bisher wahrscheinlich unterschätzt worden, weil zwei Drittel des Staubs bei bewölktem Himmel aufgewirbelt werden. Dadurch können sie bei traditionellen Satellitenbeobachtungen unbemerkt bleiben, so die Forschenden.
In ihren Ergebnissen zeichnet sich auch eine ausgesprochen weitreichende Belastung durch den Staub ab. Besonders betroffen sind offenbar die Regionen im Bereich des Flusses Syrdarya. Aber auch in den hunderte Kilometer weit entfernten Großstädten Zentralasiens ist der Staub noch zu spüren – etwa in der Hauptstadt Turkmenistans. Asgabat. und in Duschanbe in Tadschikistan. Besonders bedenklich ist dabei, dass der Staub aus der Aralkum-Wüste möglicherweise besonders gesundheitsschädlich ist, weil er Rückstände von Düngemitteln und Pestiziden aus der früheren Landwirtschaft enthält, schreibt TROPOS.
Klimaeffekten auf der Spur
Aufbauend auf ihren Ergebnissen haben die Wissenschaftler außerdem die Auswirkungen des Aralkum-Staubes auf das Klima untersucht. Erneut kamen dabei COSMO-MUSCAT-Modellsimulationen zum Einsatz. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen verdeutlichten dabei ambivalente Effekte des Staubes: Am Boden bewirkt er tagsüber demnach eine Abkühlung, weil er das Sonnenlicht abschirmt. Nachts wirken die Partikel hingegen wärmend, weil sie die Abstrahlung des Bodens einschränken. Neben den Veränderungen der Strahlungssysteme haben die Forschenden allerdings auch Hinweise darauf gefunden, dass der Staub die Großwetterlagen beeinflussen könnte. Wie sie erklären, könnten die Partikel den Luftdruck in der Aral-Region erhöhen. Dies könnte ihnen zufolge zu einer Verstärkung der sibirischen Hochs im Winter und eine Abschwächung des zentralasiatischen Wärmetiefs im Sommer bedeuten.
Unterm Strich zeichnet sich also ab, dass die zunehmende Wüstenbildung durch Austrocknung nicht nur ein lokales Problem darstellt, sondern großräumige Folgen haben kann. Der Aralsee ist auch nicht das einzige Gewässer in Zentralasien und dem Nahen Osten, das in den letzten Jahrzehnten dramatisch geschrumpft ist und dadurch Staub freisetzt. Den Forschern zufolge sollte der Bedeutung dieses Aspekts nun noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Denn nach wie vor sind noch viele Fragen rund um die Klimawirkungen der Partikel offen, schreibt TROPOS.
Quelle: Leibniz-Institut für Troposphärenforschung