Beim Erkennen von Gesichtern spielt der Helligkeitsunterschied zwischen der Augenpartie und Stirn oder Wangen eine entscheidende Rolle: Die Augenpartie ist in fast allen Beleuchtungssituationen dunkler als ihre Umgebung. Nur durch dieses Kontrastverhältnis kann das Gehirn die Gesichter anderer Menschen zuverlässig identifizieren, haben Forscher um Pawan Sinha vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge herausgefunden. Das erklärt auch, wieso Menschen Gesichter auf Fotonegativen so schlecht zuordnen können. Die Entdeckung könnte Impulse für die automatische Bildverarbeitung durch Computer liefern und auch erklären, warum Autisten starke Schwierigkeiten haben, andere Menschen zu erkennen, berichten die Wissenschaftler.
Ein Fotonegativ enthält ebenso viele Bildinformationen wie ein Positiv, schließlich kann im Fotolabor aus dem Negativ ein brillanter Abzug gemacht werden. Dennoch haben Menschen große Schwierigkeiten, auf den Negativen Gesichter wiederzuerkennen. Die Forscher um Sinah vermuteten, dass dies mit den Kontrastverhältnissen, also den Unterschieden zwischen Hell- und Dunkelwerten im Bild, zusammenhängt. Eine Untersuchung von Porträtfotos ergab, dass fast immer die Augen dunkler sind als Stirn oder Wangen. Die Forscher zeigten 15 Probanden verschiedene Bilder von bekannten Prominenten: Einmal als Negativ, dann als Negativ mit manipulierter Augenpartie und schließlich als Positiv. Bei den manipulierten Negativen stellten sie das reale Kontrastverhältnis zwischen Augen und Umgebung wieder her.
Während die Wiedererkennungsrate beim Negativ nur bei rund 54 Prozent lag, erkannten die Probanden die Gesichter im manipulierten Bild mit 92 Prozent fast perfekt. In einem weiteren Versuch zeichneten die Forscher zusätzlich die Aktivitätsmuster des Gehirns der Probanden mit der funktionellen Magentresonanztomographie auf. Die manipulierten Negative und die Positive erzeugten eine kaum unterscheidbare, gleich hohe Aktivität in den Bereichen des Gehirns, die für die Gesichtserkennung zuständig sind. Das reine Negativ erzeugte dort kaum eine Aktivität.
Der richtige Kontrast der Augenpartie ist daher für die Gesichtserkennung entscheidend, folgern die Forscher. Da Menschen mit Erkrankungen wie Autismus Augenkontakt vermeiden, schränke die fehlende Gesichtserkennung den sozialen Umgang ein. Autisten schauen mehr auf die Mundregion. Dort reichen die Kontrastinformationen aber nicht aus, um Gesichter sicher wiederzuerkennen, erläutern die Forscher.
Pawan Sinha (MIT) et al.: PNAS, DOI: 10.1073/pnas.0812396106 ddp/wissenschaft.de ? Martin Schäfer