Sie leben in den wenigen Gewässern des Wüstenstaats Oman: Bei diesen Süßwasserfischen der arabischen Halbinsel gibt es eine bisher unentdeckte Artenvielfalt, berichten Forscher. Sie haben vier sogenannte kryptische Spezies identifiziert, die durch genetische Isolation entstanden sind. Da sie sich nur durch ihr Erbgut, aber kaum äußerlich unterscheiden, werden sie als kryptische Arten bezeichnet. Durch die Bedrohung ihrer kleinen und isolierten Lebensräume könnten sie allerdings schon bald verschwinden, sagen die Forscher.
Ist von Süßwasserfischen die Rede, denken wohl die wenigsten Menschen an die von Wüsten geprägte arabische Halbinsel. Doch auch in dieser eher lebensfeindlichen Region gibt es kleine Habitate: Im Norden des Oman sprudeln im Hajar-Gebirge Quellen und es existieren oberirdische Gewässer sowie unterirdische Wasserverbindungen, in denen diverse Süßwasserorganismen existieren. Dies ist auch die Heimat der bis zu acht Zentimeter langen „Oman-Barben“, die man lange einer Art zugeordnet hat: Garra barreimiae.
Bereits seit einiger Zeit erforschen die Biologen um Sandra Kirchner von der Universität Wien diese interessanten Bewohner der Wüstenregion. Zunächst stand dabei die blinde und zartrosafarbene Höhlenform der Barben in ihrem Fokus, die in den unterirdischen Seen eines Höhlensystems im Hajar-Gebirge vorkommt. Die Forscher konnten durch Erbgutanalysen genetische Unterschiede zwischen den Höhlen-Barben und ihren sehenden Verwandten aus den Oberflächengewässern aufzeigen, die verdeutlichten, dass es eine lange Isolation zwischen den Populationen gegeben hat.
Artenvielfalt zeichnet sich ab
Anschließend widmeten sich Kirchner und ihre Kollegen der genetischen Charakterisierung der Fische von den unterschiedlichen Oberflächengewässern. Dabei stellte sich heraus, dass sich die Barben der verschiedenen Populationen genetisch so stark unterscheiden, wie man es zwischen Arten erwarten würde. So kommen die Forscher zu dem Schluss, dass die Barben der Oberflächengewässer vier verschiedene Arten repräsentieren. Diese genetische Differenzierung spiegelte sich jedoch nicht in körperlichen Unterschieden wider: Es gibt keine klaren Merkmale, anhand derer man die Populationen unterscheiden könnte, berichten die Wissenschaftler.
Solche genetisch unterschiedlichen Populationen, die sich aber in den äußeren Merkmalen nicht augenscheinlich voneinander unterscheiden, werden als „kryptische Arten“ oder „Zwillingsarten“ bezeichnet. Wie die Forscher erklären, entwickeln Arten im Laufe der Evolution nicht zwangsläufig äußerlich sichtbare Unterschiede. Dies ist dann der Fall, wenn nicht eine andere Umwelt oder Anpassungen an bestimmte Ernährungsweisen die wichtigsten Treiber der Artaufspaltung waren, sondern eher die lange Isolation von Untergruppen. Dies war offenbar bei den Fischen des Oman der Fall: In ihrem beschränkten Verbreitungsgebiet herrschen ähnliche Umweltbedingungen. Dies lässt wenig Spielraum für Abweichungen gut angepasster äußerlicher Merkmale. Doch durch die lange geografische Isolation konnten genetische Besonderheiten entstehen, wodurch sich die Populationen in Arten aufspalteten, erklären die Forscher.
Bedrohte kryptische Arten
Wie sie betonen, sind solche „heimlichen“ Spezies speziell bedroht: „Basierend auf dem heutigen Wissensstand können wir davon ausgehen, dass viele kryptische Arten bei Tieren existieren, die aussterben, bevor sie überhaupt entdeckt werden“, sagt Kirchner. Die Entdeckung der kryptischen Fischarten der Gattung Garra im Norden des Oman legt nahe, dass die Biodiversität in vielen Regionen der Welt unterschätzt und damit auch „unterschützt“ wird, so die Biologin.
Die Wüstenfische sind in diesem Zusammenhang wohl auch besonders gefährdet. Denn ihr Süßwasser-Lebensraum steht in der Wüstenregion intensiv im Visier des Menschen: Die Fische werden durch Bauvorhaben, die wachsende Ausbeutung der Wasservorkommen und Versalzung bedroht. „Die Verbreitungsgebiete der Garra-Arten sind klein und meist isoliert, daher sind sie durch Veränderungen der Umwelt besonders verwundbar“, betont Kirchner abschließend.
Quelle: Universität Wien, Fachartikel: Journal of Zoological Systematics and Evolutionary Research, doi: 10.1111/jzs.12438