Sie ist etwa doppelt so groß wie eine Hausratte und knackt sogar Kokosnüsse: Bisher war die 2017 entdeckte Riesenratten-Art der Südseeinsel Vangunu nur durch ein halbverwestes Exemplar belegt. Doch nun sind gleich vier der auf Bäumen lebenden Nager in Fotofallen getappt. Leider könnte es sich aber um die ersten und letzten Aufnahmen dieser Insel-Spezies handeln. Denn in dem kleinen Verbreitungsgebiet der Vangunu-Riesenratte soll nun kommerzieller Holzeinschlag beginnen, berichten die Wissenschaftler.
Am Anfang der Entdeckungsgeschichte des geheimnisvollen Nagers standen Erzählungen der Einheimischen der 509 Quadratkilometer großen Südseeinsel. Sie berichteten von einer besonders großen Ratte, die in den Bäumen der ursprünglichen Waldbestände Vangunus lebt und sogar Kokosnüsse aufnagen kann. Dieses als „Vika“ bezeichnete Tier, weckte das Interesse der Forscher um Tyrone Lavery von der University of Melbourne. Denn sie vermuteten, es könnte sich um eine bisher unbekannte Nager-Art handeln. Doch Versuche, das Tier durch Kamerafallen zu erfassen, schlugen zunächst fehl: Erdnussbutter als Köder lockte nur die auf Vangunu eingeschleppte Hausratte (Rattus rattus) an. Sind „Vikas“ also vielleicht nur große Exemplare dieser gewöhnlichen Nager?
Dass das nicht der Fall ist, offenbarte dann schließlich ein Zufallsfund: Beim Fällen eines Baumes im Restbestand des Primärwaldes im südlichen Vangunu wurde eine seltsame Ratte getötet und anschießend von den Arbeitern aufbewahrt. In einem halbverwesten Zustand gelangte sie dann in die Hände von Lavery und seinen Kollegen. Ihre anatomischen und genetischen Untersuchungen bestätigten schließlich, dass es sich tatsächlich um eine bisher unbekannte Vertreterin aus der kleinen Gruppe der Mosaikschwanz-Riesenratten handelt. Nach ihrer einheimischen Bezeichnung wurde sie dann im Jahr 2017 als Uromys vika erstmals wissenschaftlich beschrieben. Wie die anderen zehn bekannten Vertreter ihrer Familie zeichnet sich auch die Vangunu-Riesenratte durch eine enorme Größe von etwa 45 Zentimetern Gesamtlänge aus.
Mit Sesamöl vor die Kamera gelockt
Seit 2017 blieb der einzige Nachweis der neuentdeckten Art allerdings das einzelne halbverweste Exemplar. Deshalb entschlossen sich Lavery und seine Kollegen erneut zu einer Suchaktion mittels Kamerafallen. Mit der Unterstützung der Bewohner des Ortes Zaira im Süden Vangunus stellten sie noch einmal ihre Geräte in dem kleinen Lebensraum der Ratten auf. Dabei experimentierten sie mit einer Alternative zur Erdnussbutter als Lockstoff: Wie das Team berichtet, wurde die Vorliebe der Vangunu-Riesenratte für Sesamöl zum Erfolgsgeheimnis ihrer Suchaktion. Denn der Duft dieser Substanz lockte sogar gleich vier Exemplare der seltenen Nager in die Kamerafallen.
Anhand der im Vergleich zu Hausratten mindestens doppelten Größe, den Merkmalen des Schwanzes und der Ohren konnten die Forscher diese Tiere eindeutig Uromys vika zuordnen. Es handelte sich um zwei Männchen und zwei Weibchen, die sich wiederum anhand individueller Körpermerkmale voneinander unterschieden, schreiben die Forscher. „Die Bilder dokumentieren damit, dass die Vangunu-Riesenratte noch in den Primärwäldern von Zaira lebt – die allerdings den letzten verbleibenden Lebensraum für diese Art darstellen“, sagt Lavery.
Die ersten und letzten Bilder?
Er und seine Kollegen hoffen, dass ihre Veröffentlichung und die damit verbundene Aufmerksamkeit nun dem Schutz dieses Ökosystems zugutekommen kann. „Denn die Ergebnisse kommen zu einem kritischen Zeitpunkt für die Zukunft der letzten Wälder von Vangunu“, sagt Lavery. Wie das Team berichtet, kämpfen die Bewohner des Dorfes Zaira seit 16 Jahren darum, den Wald zum Schutzgebiet erklären zu lassen. Doch am 1. November 2022 kam dann die Hiobsbotschaft: Die Regierung der Salomonen hat das Gebiet wegen des besonders begehrten Holzes für den kommerziellen Einschlag freigegeben.
Gegen diese Entscheidung haben die Vertreter der Einheimischen allerdings Berufung eingelegt. Dabei könnte der erneute Nachweis der Vangunu-Riesenratte nun hilfreich sein. Denn wie die Forscher schreiben, würde die Zerstörung des Waldes einer Übereinkunft widersprechen, die die Regierung der Salomonen unterzeichnet hat. Darin verpflichtet sie sich zum Schutz bedrohter Arten vor dem Aussterben. Dazu sagt Lavery abschließend: „Wenn der geplante Holzeinschlag umgesetzt wird, wird das zweifellos zum Aussterben der Vangunu-Riesenratte führen“.
Quelle: University of Melbourne, Fachartikel: Ecology and Evolution, doi: 10.1002/ece3.10703