Sie gelten eigentlich als “schwer verdaulich” für Mikroorganismen. Doch nun geht aus einer Studie hervor, dass Sediment-Bakterien auch organisches Material aus fossilem Gestein überraschend effektiv als Kohlenstoffquelle nutzen können. Die Bedeutung dieser Fähigkeit könnte dabei zunehmen, denn durch den Rückzug von Gletschereis im Rahmen des Klimawandels wird solches Material zunehmend zugänglich. Der Abbau könnte dadurch wiederum eine weitere Quelle fossiler Treibhausgase darstellen, sagen die Forscher.
Pflanzen – und im Meer vor allem winzige Algen, binden bekanntlich große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid. Denn sie nutzen es im Rahmen der Photosynthese, um kohlenstoffreiche Verbindungen herzustellen. Die entstehende Biomasse dient anschließend anderen Lebewesen als Nahrungsquelle. Am Ende bauen Mikroorganismen diese organischen Verbindungen ab und setzten dabei wieder Kohlendioxid frei. Ein Teil der Biomasse kann durch bestimmte Umgebungsbedingungen allerdings auch dem Abbau entgehen und langfristig in bestimmten Gesteinen gebunden werden. Am deutlichsten ist das bei der Kohle der Fall, aber auch andere Materialien, wie beispielsweise Schiefer, können erhebliche Mengen an fossilen organischen Verbindungen enthalten.
Durch Erosionsprozesse kann dieses sogenannte petrogene Material dann auch in Meeressedimente gelangen – etwa schmelzende Gletscher können besonders intensiv für diesen Prozess sorgen. Bisher nimmt man allerdings an, dass es dort schlicht erneut abgelagert wird. Denn für Mikroben gelten die uralten kohlenstoffhaltigen Substanzen als „schwer verdaulich“, da sie durch bestimmte Umwandlungsprozesse für deren Stoffwechsel schwer zugänglich geworden sind. Prinzipiell war zwar bekannt, dass manche Bakterien fossiles Material dennoch knacken können. In welchem Ausmaß dies geschieht, ist allerdings unklar.
Kohlenstoffquellen auf der Spur
Dieser Frage ist nun ein internationales Forscherteam um Manual Ruben vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven nachgegangen. Sie untersuchten dazu Sedimentbohrkerne aus dem Hornsund – dem südlichsten großen Fjord von Spitzbergen. Die dort mündenden Gletscher haben sich im Zuge der Klimaerwärmung in den letzten Jahrzehnten drastisch zurückgezogen, berichten die Forscher. Dabei gelangte mit dem Schmelzwasser vermutlich verstärkt Material mit fossilen organischen Bestandteilen in die Sedimente.
Um Hinweise zu bekommen, aus welchen Kohlenstoffquellen sich die Bakterien aus den Sedimentbohrkernen bedienen, untersuchten die Wissenschaftler organische Biomarker, die aus deren Zellmembranen stammen. Der Fokus lag dabei auf der Kohlenstoffsignatur dieser Substanzen. Nach dem Prinzip „du bist, was du isst“ sind darüber Rückschlüsse auf die Nahrung der Mikroben möglich. Wie alt ihre Kohlenstoffquellen sind, zeigten dabei Ergebnisse von Radiokarbon-Analysen: In Signaturen der Gehalte des Kohlenstoffisotops C14 spiegelte sich wider, inwieweit die Mikroben auch uraltes organisches Material metabolisieren, erklären die Forscher.
Bei Bedarf auch fossiles Futter
Wie das Team berichtet, zeichnete sich in ihren Ergebnissen ab: Wenn verfügbar, bevorzugen die mikrobiellen Gemeinschaften im Sediment zwar frisches organisches Material, das etwa von abgestorbenen Meeresalgen stammt. Doch aus den Analysen geht auch hervor, dass sie sich bei Bedarf erheblich am fossilen Vorrat bedienen können, der durch die schmelzenden Gletscher eingetragen wird. Die Sediment-Mikroben des Hornsunds können sogar bis zu 50 Prozent ihres Kohlenstoffs aus diesen eher schwer abbaubaren organischen Verbindungen beziehen, geht aus den Ergebnissen hervor. Offenbar verfügen sie demnach über die entsprechenden Stoffwechsel-Fähigkeiten. Es handelt sich somit um einen Beleg für die wichtige Rolle petrogenen organischen Kohlenstoffs als Nahrungsquelle für Sediment-Mikroben, resümieren die Wissenschaftler.
Doch welche Bedeutung könnten die Befunde haben? Klar ist, dass durch den Abbau fossiler Kohlenstoffverbindungen Treibhausgase freigesetzt werden – ähnlich wie es bei Verbrennungsprozessen im Rahmen der Nutzung durch den Menschen der Fall ist. Wie die Forscher betonen, gibt es im hohen Norden der Erde auch viele weitere Bereiche mit Bedingungen, wie sie im untersuchten Hornsund vorliegen. Außerdem könnte der starke Rückzug der Gletscher für immer mehr Angebot an petrogenem organischen Kohlenstoff sorgen. Wie groß die dadurch entstehenden Treibhausgaszuflüsse sein könnten, lässt sich anhand der Informationen bisher allerdings nicht klären, betonen Ruben und seine Kollegen. Abschließend schreiben sie deshalb: „Angesichts der Größe des globalen petrogenen Reservoirs zeichnet sich nun Bedarf für weitere quantitative Forschung zu diesem Thema ab.“
Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Fachartikel: Nature Geosciences, doi: 10.1038/s41561-023-01198-z