Pflanzen verschönern unsere Umwelt nicht nur optisch, sie ziehen auch große Mengen CO2 aus der Luft und speichern sie in ihrem Gewebe. Doch was passiert mit dem CO2, wenn eine Pflanze stirbt? Bislang dachte man, dass dann ausschließlich Bodenmikroben und Pilze das Pflanzengewebe zersetzen und dadurch das CO2 wieder freigeben, doch offenbar sind daran noch weitere, unerwartete Helfer beteiligt, wie Biologen nun herausgefunden haben.
Kohlendioxid hat aufgrund seiner klimaerwärmenden Treibhausgas-Funktion nicht den besten Ruf. Doch der in ihm enthaltene Kohlenstoff kommt längst nicht nur in der Atmosphäre vor, sondern ebenso im Wasser, im Gestein, im Boden und auch in unserem eigenen Körper. Im Kohlenstoffkreislauf wechselt das Element zwischen diesen verschiedenen Sphären hin und her und nimmt dabei verschiedene Formen an. So ziehen zum Beispiel Pflanzen im Rahmen der Photosynthese CO2 aus der Luft und verwenden es als Baustein für die Zellulose in ihrem Gewebe. Sterben die Pflanzen ab, zersetzen Kleinstlebewesen im Boden die Zellulose und andere organische Substanzen und setzen dabei erneut CO2 in die Atmosphäre frei.
Auf der Spur der Bodentiere
Doch Zellulose zu zersetzen, ist keine so einfache Aufgabe. Dafür braucht es leistungsstarke Werkzeuge in Form bestimmter, Vielfachzucker-spaltender Enzyme. Bislang wurden diese vor allem bei Bakterien und Pilzen nachgewiesen, weshalb man diese Organismen für die Hauptzersetzer im Boden hielt. Doch das könnte zu kurz gedacht sein, wie nun Forschende um Hannah Mülbaier von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main herausgefunden haben.
Das Team ist erstmals auch der Rolle anderer bodenbewohnender Kleinstlebewesen beim Abbau der langkettigen organischen Zuckerverbindungen auf den Grund gegangen: wirbellosen Bodentieren wie Springschwänzen und Hornmilben. Um herauszufinden, ob auch die Bodentiere zum Zersetzen der Zellulose fähig sind, führten Mülbaier und ihr Team detaillierte Genomanalysen bei über 200 verschiedenen Arten von Springschwänzen und Hornmilben durch und suchten dabei gezielt nach Genen für den Zelluloseabbau.
Lange übersehene Helfer des Kohlenstoffkreislaufs
Und tatsächlich: Ein Großteil der untersuchten Bodentiere trägt in seinem Genom den Bauplan für zellulose-abbauende Enzyme, wie die Forschenden berichten. Insgesamt fanden sie diesen genetischen Code sowohl bei drei der vier bekannten Hauptlinien der Springschwänze als auch bei fast allen ursprünglichen Gruppen von Hornmilben. „Bei unseren Vergleichen der Genome haben wir auch herausgefunden, dass die Fähigkeit zur Zersetzung von Zellulose bereits früh in der Stammesgeschichte der Arten erworben wurde. Die wirbellosen Bodentiere helfen daher vermutlich bereits seit langer Zeit entweder allein oder in Zusammenarbeit mit Pilzen oder Bakterien, die in ihrem Darm leben, beim Abbau der Pflanzenreste“, erklärt Seniorautor Miklós Bálint vom LOEWE-Zentrum für translationale Biodiversitätsgenomik in Frankfurt am Main.
Die neuen Erkenntnisse haben auch Auswirkungen auf unser Verständnis des Kohlenstoffkreislaufs: „Bisher war über den Beitrag von Tieren zu diesem Zersetzungsprozess – über die rein mechanische Zerkleinerung hinaus – wenig bekannt. Unsere Ergebnisse geben nun einen Hinweis darauf, dass wirbellose Bodenlebewesen wie Springschwänze und Hornmilben angesichts ihres weltweit häufigen Vorkommens eine wichtige, bisher übersehene Rolle im Kohlenstoffkreislauf von Böden spielen“, sagt Bálint. Da die wirbellosen Bodentiere anders auf Umweltveränderungen reagieren als Mikroorganismen und Pilze, müssen nun eventuell auch bisherige Prognosen darüber überarbeitet werden, wie sich der Kohlenstoffkreislauf durch den Klimawandel verändern wird.
Quelle: Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung; Fachartikel: Molecular Ecology, doi: 10.1111/mec.17351