Der UN-Biodiversitätsgipfel in Montreal ist mit einem globalen Rahmenvertrag zum Erhalt der Artenvielfalt zu Ende gegangen. Unter anderem sollen 30 Prozent der Erdoberfläche bis zum Jahr 2030 unter Schutz gestellt, naturschädliche Subventionen abgebaut und die Lebensmittelverschwendung halbiert werden. Experten begrüßen die ambitionierten Ziele zwar, glauben jedoch, dass schwammige Formulierungen und mangelnde Sanktionen bei Nichterfüllung ihren Erfolg gefährden könnten.
Vom 7. bis 19. Dezember fand im kanadischen Montreal der Biodiversitätsgipfel der Vereinten Nationen, COP15, statt. Vertreter von 188 Regierungen verhandelten dabei in langen und teils kontroversen Diskussionen einen Rahmenvertrag, der den weiteren Rückgang der Biodiversität verhindern soll. Die Erwartungen an die COP15 waren angesichts des fortschreitenden Artensterbens hoch. Im Vorfeld hofften einige sogar auf einen „Paris-Moment“ – wie bei der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens im Jahr 2015.
27 Ziele zum Arterhalt
Sorgt der verabschiedete Rahmenvertrag tatsächlich für einen solchen „Paris-Moment“? Artenschutz-Experten sind da eher geteilter Meinung. Fest steht aber, dass das Gipfeltreffen „überraschend große Erfolge erzielt hat“, wie es etwa Katrin Böhning-Gaese vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum formuliert. Der verabschiedete Rahmenvertrag („Global Biodiversity Framework“) enthält vier langfristige Ziele, die bis 2050 umgesetzt werden sollen, und 23 Aktionsziele, deren Einhaltung für 2030 terminiert ist.
Zu den langfristigen Zielen zählt zum Beispiel, das menschengemachte Aussterben bedrohter Arten zu stoppen und die Aussterberate weltweit auf ein Zehntel zu reduzieren. „Damit lägen wir zwar immer noch um eine Größenordnung über der natürlichen Aussterberate, aber es ist der richtige Weg, um die Kurve des Verlusts der Biodiversität zu biegen“, ordnet Henrique Pereira vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung ein. Außerdem sollen alle Vertragspartner, vor allem die Entwicklungsländer, angemessene finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt bekommen, um die Ziele auch wirklich umsetzen zu können. Diese Mittel sollen unter anderem von den Industrieländern stammen, die ihre Zahlungen bis 2030 auf mindestens 30 Milliarden US-Dollar pro Jahr erhöhen sollen.
Zusammenarbeit von Naturschutz und Wirtschaft
Ein weiteres „kurzfristiges“ Ziel, das bis 2030 erfüllt werden soll: mindestens 30 Prozent der Landflächen, Küstengebiete und Ozeane weltweit unter Schutz stellen. Bislang ist das nur bei 17 Prozent der Landflächen und acht Prozent der Meeresgebiete der Fall. Darüber hinaus sollen außerdem 30 Prozent aller geschädigten Ökosysteme wiederhergestellt werden. Doch die Forderungen sind zu schwammig formuliert, kritisiert Böhning-Gaese: „Es wurde nicht festgelegt, wie konkret ein effektiver Schutz der Gebiete aussieht und was das konkrete Ziel der Renaturierung ist.“ Weitere im Rahmenvertrag beschlossene Ziele bestehen darin, sowohl die weltweite Lebensmittelverschwendung als auch das Einschleppen invasiver Arten zu halbieren, die zur Gefahr für heimische Spezies werden können.
Ein überraschender Inhalt des Rahmenvertrages besteht laut Böhning-Gaese darin, „dass die tiefen Ursachen, die zur Zerstörung der Biodiversität führen – das Wirtschafts- und Finanzsystem – mit ehrgeizigen Zielen adressiert wurden.“ Dazu gehört, jegliche Subventionen, die zum Verlust von Biodiversität führen, bis zum Jahr 2030 um 500 Milliarden Dollar jährlich zu reduzieren und gleichzeitig mehr finanzielle Anreize für den Naturschutz zu bieten. Außerdem sollen transnationale Unternehmen dazu verpflichtet werden, bei jeglichen Tätigkeiten stets zu bewerten und offenzulegen, welche Auswirkungen sie auf die biologische Vielfalt haben.
Tatsächliche Umsetzung bleibt ungewiss
Jetzt müssen die verabschiedeten Ziele von den Vertragspartnern in einer nationalen Biodiversitätsstrategie festgehalten und umgesetzt werden. Allerdings ist genau das der Punkt, an dem es knifflig werden könne, denn: Verfehlen die Länder die Ziele, zu denen sie sich verpflichtet haben, drohen ihnen keinerlei Sanktionen. „Das Abkommen hat keine scharfen Zähne“, fasst Böhning-Gaese zusammen. „Damit kommt der Öffentlichkeit, wie zum Beispiel Nichtregierungsorganisationen, eine große Bedeutung zu, die Einhaltung der Ziele einzufordern. Eine große Rolle könnten in Zukunft auch Gerichte spielen.“ Letztendlich lässt sich der Erfolg der verabschiedeten Ziele nur daran messen, wie schnell und konsequent sie auch tatsächlich von den Vertragspartnern umgesetzt werden.
Quelle: UN Environment Programme, Science Media Center