Die tiefsten Tiefen des Meeres sind bislang kaum erforscht – das gilt auch für die Strategien, die die Bewohner der Tiefsee zum Überleben nutzen. Wie sich nun zeigt, ist eine davon tiefste Schwärze: Einige Tiefseefische haben eine Haut, die mehr als 99,5 Prozent des einfallenden Lichts absorbiert. Damit gehören sie zu den schwärzesten Tieren überhaupt und sind perfekt getarnt. Denn selbst wenn ihre Fressfeinde die dunkle Tiefsee durch Biolumineszenz erleuchten, bleiben die ultraschwarzen Fische nahezu unsichtbar.
In Wassertiefen unterhalb von einigen hundert Metern kommt so gut wie kein Sonnenlicht mehr an. Für die Bewohner der Tiefsee bedeutet dies, dass sie sich ihre eigenen Lichtquellen schaffen müssen, wenn sie etwas sehen wollen. Viele Fische und auch wirbellose Meeresbewohner tun dies mittels Biolumineszenz – einem von Leuchtorganen oder speziellen Zellen erzeugten Licht. So locken beispielsweise einige Anglerfische ihre Beute mit leuchtenden Fortsätzen in die Nähe ihres Mauls. Gleichzeitig hilft das ausgestrahlte Licht, die Beute zu orten: “In der Dunkelheit der tieferen mesopalagischen und bathypelagischen Zonen kann die Reflexion selbst eines kleinen Anteils der Biolumineszenz ein Tier seinen Fressfeinden oder auch seiner Beute gegenüber verraten”, erklären Alexander Davis von der Duke University in Durham und seine Kollegen. “Wir haben deshalb vermutet, dass der Selektionsdruck bei Tiefseetieren zur Entwicklung von Körperoberflächen mit fast keiner Reflexion führen müsste.”
Dunkler als das meiste Schwarz
Ob dies der Fall ist, haben Davis und sein Team anhand einer Stichproben von Tiefseefischen untersucht. Sie nutzten Schleppnetze und einen Tauchroboter, um in der kalifornischen Monterey Bay und im Golf von Mexiko aus gut 1500 Meter Tiefe 39 schwarz pigmentierte Fische von 18 verschiedenen Arten zu fangen und ins Labor zu holen. Dort ermittelten sie, wie viel Licht deren Haut reflektierte und im Besonderen, wie hoch die Lichtabsorption im Wellenlängenbereich um 480 Nanometer ist – dem Bereich des Lichts, den viele biolumineszente Tiere nutzen und der den noch bis in große Tiefen dringenden Anteilen des Sonnenlichts entspricht. Die Messungen ergaben, dass 16 dieser Fischarten eine so dunkle Körperoberfläche besitzen, dass diese weniger als 0,5 Prozent des einfallenden Lichts zurückwirft. Zum Vergleich: Ein schwarzes Blatt Papier reflektiert rund zehn Prozent des Lichts. “Damit liegen diese Fische gleichauf mit den schwärzesten bisher bekannten Tieren”, sagen die Forscher.
Am dunkelsten unter den untersuchten Fischen ist ein kleiner Anglerfisch der Gattung Oneirodes: Er wirft nur 0,04 Prozent des auf ihn treffenden Lichts wieder zurück. Damit ist er schwärzer als hochabsorbierende Schmetterlingsschuppen und ähnlich dunkel wie die schwärzesten Paradiesvögel. Durch die hohe Lichtabsorption erscheint dieser Fisch selbst bei hellem Licht als dunkle Silhouette, Oberflächenstrukturen sieht man kaum, wie die Forscher beim Fotografieren dieser Art feststellten: “Egal, wie man die Kameras oder die Beleuchtung aufstellte – die Fische schluckten alles Licht”, berichtet Co-Autorin Karen Osborn of the Smithsonian National Museum of Natural History in Washington DC.
Effiziente Lichtfalle in der Haut
Um herauszufinden, wie diese Fische ihre ultraschwarze Färbung erzielen, untersuchten Davis und sein Team die Haut der Tiere mittels Licht- und Elektronenmikroskopie. Die Aufnahmen enthüllten, dass eine sehr dünne, aber dicht unter der Hautoberfläche liegende Pigmentschicht für die tiefdunkle Farbe verantwortlich ist. “Wir haben eine Schicht von dichtgepackten Melanosomen gefunden – Organellen, die das Pigment Melanin enthalten, die kaum unpigmentierte Lücken aufweist und deren einzelne Pigmentzellen kaum voneinander getrennt sind”, erklären die Forscher. “Das unterscheidet sie von vielen anderen dunkel pigmentierten Fischen, bei denen die Pigmentzellen in der Haut durch Kollagen und andere Zellen voneinander getrennt sind.” Diese nahezu lückenlose Struktur der Pigmentschicht sorgt dafür, dass auch gestreutes Restlicht in dieser Schicht absorbiert wird. “Sie haben eine super-effiziente, superdünne Lichtfalle entwickelt”, sagt Osborn. “Licht wird nicht zurückgeworfen und dringt auch nicht hindurch – es gelangt in diese Schicht und ist dann einfach weg.”
Wie gut diese ultraschwarze Färbung die Tiefseefische in ihrem natürlichen Lebensraum tarnt, haben Davis und seine Kollegen mithilfe einer Computersimulation untersucht. Dabei ermittelten sie, aus welcher Distanz ein Prädator diese Fische unter Tiefseebedingungen sehen würde, wenn ihre Oberfläche verschiedenen Grad der Lichtabsorption von 98 bis 100 Prozent aufweist. “Wir haben festgestellt, dass schon eine Verringerung der Hautreflexion von zwei auf ein Prozent die Sichtungsdistanz um 29 Prozent verringert”, berichten die Forscher. “Senkt man die Reflexion noch weiter bis auf 0,5 oder 0,05 Prozent ab, sinkt diese Entfernung um 50 beziehungsweise 84 Prozent.” Ihrer Ansicht nach kann die ultraschwarze Färbung für diese Tiefseefische daher durchaus den Unterschied zwischen Fressen und Gefressen-werden ausmachen.
Quelle: Alexander Davis (Duke University, Durham) et al., Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2020.06.044