Stress macht Krebszellen widerstandsfähiger, haben amerikanische Forscher in einer Laborstudie nachgewiesen. Schlüsselfaktor dabei ist das Stresshormon Adrenalin: Es verhindert, dass die entarteten Zellen als Reaktion auf Giftstoffe oder bestimmte Signale in ihrer Umgebung ihr eingebautes Selbstmordprogramm starten. Das hat nach Ansicht der Wissenschaftler um George Kulik einerseits zur Folge, dass die Gefahr für die Entwicklung eines Tumors während einer Stressphase steigt. Andererseits könnte die Adrenalinwirkung den Erfolg einer Chemotherapie vermindern, da solche Behandlungen immer mit Stress für den Betroffenen verbunden sind.
Kulik und sein Team setzten für ihre Studie im Labor Prostata- und Brustkrebszellen verschiedenen Adrenalinkonzentrationen aus. Anschließend beobachteten sie das Verhalten der Zellen, wenn diese mit Giftstoffen konfrontiert wurden. Das Ergebnis: Das Stresshormon schaltete ein Protein namens
BAD in den Zellen aus, das normalerweise als Reaktion auf die schädlichen Substanzen den Befehl für einen Zellselbstmord gibt. Nötig dazu waren lediglich Adrenalinkonzentrationen, wie sie im Körper auch bei einer starken emotionalen Belastung oder während einer chronischen Stressphase herrschen, schreiben Kulik und seine Kollegen.
Bereits in früheren Studien hatte es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Stresshormonen und Krebs ? insbesondere Prostatakrebs ? gegeben. Bisher vermuteten Wissenschaftler jedoch das Immunsystem als Vermittler zwischen Stress und Krebsentstehung: Die erhöhten Adrenalinwerte bei akutem oder auch chronischem Stress beeinträchtige die Körperabwehr und hindere sie so daran, entartete Zellen zu vernichten, so die These. Die neuen Ergebnisse deuten nun jedoch darauf hin, dass es auch eine direkte Verbindung zwischen dem Stresshormon und den Krebszellen gibt, erklärt das Team um Kulik.
Sollten sich diese Ergebnisse auch im Tierversuch bestätigen, wäre Stress in doppelter Hinsicht problematisch, erklären die Wissenschaftler: Zum einen würde er bei gesunden Menschen das allgemeine Krebsrisiko erhöhen, da der Körper entartete Zellen in Anwesenheit des Stresshormons nicht effektiv bekämpfen könnte. Zum anderen würde er die Schlagkraft von Chemotherapien deutlich vermindern, da die Wirkung der meisten von ihnen darauf beruht, dass die Krebszellen in den Selbstmord getrieben werden. Ein gutes Stressmanagement und möglicherweise eine zusätzliche Senkung des Adrenalinspiegels durch Medikamente könnten daher bei solchen Behandlungen sinnvoll sein, so die Forscher.
Konduru Sastry (Wake-Forest-Universität, Winston-Salem) et al.: Journal of Biological Chemistry, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1074/jbc.M611370200 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel