Bis vor kurzem galt eine Ansteckung von Mensch zu Menschenaffe als eher unwahrscheinlich. Viele Forscher argumentierten, dass es dazu viel zu wenig Kontakt zwischen infizierten menschlichen Patienten und den Affen gibt. Lange Zeit stimmte das auch. Doch in den letzten Jahren und Jahrzehnten sind die Lebensräume der Gorillas, Schimpansen und Bonobos in Afrika rapide geschrumpft. Die Rodung und Fragmentierung der Wälder, die intensive Erforschung der wenigen verbliebenen Affenpopulationen und nicht zuletzt der Ökotourismus sorgen dafür, dass die Menschenaffen einem Kontakt mit dem Menschen oft kaum mehr ausweichen können. Und damit steigt auch die Ansteckungsgefahr: “Es gibt immer mehr Hinweise darauf, dass Menschenaffen bereits an Krankheiten des Menschen oder seiner Haustiere leiden”, erklären Tiffany Wolf von der University of Minnesota und ihre Kollegen.
So gab es in den letzten Jahren mehrere Berichte über Krankheitsausbrüche bei afrikanischen Menschenaffen, die durch ein menschliches Atemwegsvirus, die Masern und Streptokokken ausgelöst wurden. Sogar ein Fall von Kinderlähmung unter Schimpansen im Gombe-Nationalpark ist bekannt. “Diese Funde demonstrieren, dass der Kontakt zwischen Menschen und Menschenaffen ausreicht, um Erreger zu übertragen”, warnen die Forscher. Die größte Gefahr für die Tiere sind dabei neben der einheimischen Bevölkerung ausgerechnet Forscher. Im Taï-Nationalpark in der Elfenbeinküste steckten erkältete Forscher schon drei Mal Schimpansen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus und dem Humanen Metapneumovirus an, Erregern, die eine Bronchitis und Erkältungssymptome auslösen.
Tote Schimpansin gibt Hinweis auf Gefahr
Anfang dieses Jahres ließ dann ein weiterer Fall die Fachwelt aufhorchen: Zum ersten Mal wiesen Forscher bei einem wildlebenden Menschenaffen Tuberkulose nach. Der Erreger, eine Varianten des beim Menschen verbreiteten Bakteriums Mycobacterium tuberculosis, fand sich bei einer tot im Taï-Nationalpark aufgefundenen Schimpansin. Wo sich diese angesteckt hat, ist unklar. Der Fall zeigt aber, dass Menschenaffen auch durch diese Infektionskrankheit gefährdet sein könnten. “Bisher aber ist die Identifizierung der Tuberkulose bei wildlebenden Arten meist auf postmortem-Untersuchungen beschränkt”, erklären die Forscher. Bis aber ein Tier tot aufgefunden wird, kann sich die Krankheit längst unter den sozialen Primatengruppen weit verbreitet haben.
Durch diesen Fall aufmerksam geworden, überprüften Wolf und ihre Kollegen, wie groß das Ansteckungsrisiko für die Menschenaffen in Afrika sein könnte. Dafür werteten sie unter anderem Fallzahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus. Denn sie gehen davon aus, dass die Gefahr dort am größten ist, wo viele auch viele Menschen erkrankt sind und damit zu potenziellen Überträgern werden können. Das Ergebnis ist wenig ermutigend: Die letzten Lebensräume der afrikanischen Menschenaffen liegen größtenteils in den Ländern, die die höchsten Tuberkulosezahlen weltweit haben. Dazu gehören neben dem Kongo und der Zentralafrikanischen Republik auch Gabun, Sierra Leone und der gesamte Süden des Kontinents. Dort sind laut WHO mehr als 300 Fälle pro 100.000 Einwohner auf – rund doppelt so viel wie im weltweiten Durchschnitt. Und auch die Menschenaffen in Tansania, Uganda, der Elfenbeinküste und Kamerun leben in Gebieten, in denen immerhin noch 150 bis 299 Fälle pro 100.000 Einwohner auftreten.
“Diese Zahlen und die hohe Rate von Menschen mit HIV und einer Ko-Infektion mit Tuberkulose in diesen Gegenden ist besorgniserregend”, sagen Wolf und ihre Kollegen. Denn dies spreche dafür, dass die Menschenaffen in Gefahr seien, sich mit dieser Krankheit anzustecken – oder dass dies schon passiert ist. Es sei nun dringend nötig, den genauen Durchseuchungsstand der Menschenaffen zu ermitteln. Dies könnte beispielsweise durch Speichelproben geschehen oder durch die Untersuchung von Kotproben. “So lange Tuberkulose weiterhin eine verbreitete Krankheit von Mensch und Nutztieren bleibt, gibt es auch das Risiko einer Übertragung auf die Menschenaffen”, warnen die Forscher. Ein Schutz dieser Tiere beinhaltet daher nicht nur den vor Wilderern und dem Verlust ihres Lebensraums, sondern auch vor einer Ansteckung.