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“Trilobiten-Pompeji” entdeckt

Paläontologie

“Trilobiten-Pompeji” entdeckt
Künstlerische Darstellung des Prozesses, der einst zur Entstehung der Trilobiten-Fossilien der Tatelt-Formation im Atlasgebirge Marokkos geführt hat
Künstlerische Darstellung des Prozesses, der einst zur Entstehung der Trilobiten-Fossilien geführt hat. © Prof. A. El Albani, Univ. Poitiers

Vulkanasche schloss ihre Körperstrukturen ein und konservierte sie bis ins Detail: Paläontologen berichten über dreidimensional erhaltene Fossilen von Trilobiten, die bei einem küstennahen Vulkanausbruch vor rund 500 Millionen Jahren entstanden sind. Die Funde aus dem Atlasgebirge in Marokko haben nun auch neue Einblicke in die Anatomie dieser berühmten Urzeit-Wassertiere ermöglicht. Zudem legen die Entdeckungen nahe, dass auch in weiteren Pompeji-artigen Ablagerungen der Welt paläontologische Schätze schlummern könnten, sagen die Forschende.

Sie gehören zur Prominenz unter den ausgestorbenen Lebewesen der Erdgeschichte: Vom Kambrium-Zeitalter vor etwa 521 Millionen Jahren bis zum Ende des Perms vor etwa 251 Millionen Jahren wimmelte es in den Meeren der Welt von Trilobiten. Davon zeugen unzählige Fossilien von Vertretern dieser sehr artenreichen Gruppe der Gliederfüßer (Arthropoda). Die Trilobiten gelten daher als die am besten untersuchten Meerestiere der Entwicklungsgeschichte. Doch das bedeutet nicht, dass sie schon alle ihre Geheimnisse preisgegeben haben. Denn in der Regel haben sich nur ihre harten Panzer gut erhalten. Feinstrukturen des einstigen Körperbaus sind bei den Prozessen der Fossilisation dagegen meist verloren gegangen. So gibt es noch immer einige Unklarheiten über die Merkmale der filigranen Körperstrukturen und der inneren Organe der Trilobiten.

Neues Licht auf den körperlichen Feinbau der Urzeit-Wesen liefern nun besondere Funde, über die das internationale Forschungsteam um Abderrazak El Albani von der Universität von Poitiers berichtet. Sie stammen aus der sogenannten Tatelt-Formation im Atlasgebirge Marokkos, die auf die Zeit des Kambriums vor rund 500 Millionen Jahre datiert wurde. Die Forschenden haben dort erstaunlich detaillierte Fossilien von zwei Trilobitenarten entdeckt. “Ich beschäftige mich seit fast 40 Jahren mit Trilobiten, aber ich hatte noch nie so intensiv das Gefühl, auf lebende Tiere zu blicken. Die 3D-Erhaltung ist in diesem Fall wirklich erstaunlich“, sagt Co-Autor Greg Edgecombe vom Natural History Museum in London.

In Asche gebettet

Wie das Team berichtet, geht aus den Untersuchungen des Materials, in das die Fossilien eingebettet sind, hervor, dass es vulkanischen Ursprungs ist. Bestimmte Silikatverbindungen und weitere Substanzen deuten demnach darauf hin, dass das Gestein aus heißer Asche entstanden ist, die mit Salzwasser in Kontakt gekommen war. Das Team geht deshalb davon aus, dass die Fossilien durch einen pyroklastischen Aschestrom entstanden sind, der nach einem Vulkanausbruch einen flachen Meeresbereich erfasst hat. Beim Eintritt ins Wasser hat er demnach eine dichte Wolke aus feinem Material gebildet, die alles Leben einhüllte und unter sich begrub. Die Trilobiten ereilte somit vor rund 500 Millionen Jahren ein ähnliches Schicksal wie die Bewohner der Römerstadt Pompeji nach dem Ausbruch des Vesuvs. Bei den urzeitlichen Wassertieren führten die anschließenden Versteinerungsprozesse dann zu erstaunlich detaillierten Fossilien, die auch keine Verzerrungen oder Quetschungen aufweisen, erklären die Forschenden.

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Um die filigranen Strukturen nicht zu zerstören, erfasste das Team sie mithilfe von computertomographischen Scans. Auf der Grundlage der Daten fertigten sie dann virtuelle Röntgenschnitte an, die zu dreidimensionalen Darstellungen führten. So offenbarte sich, wie detailliert die Tiere einst konserviert wurden: Sogar haarähnliche Strukturen, die entlang ihrer Fortsätze verliefen, lassen sich erkennen sowie winzige Muscheltiere, die sich einst an am Panzer der Trilobiten festgesetzt hatten. Auch die Strukturen des Verdauungstrakts sind erhalten geblieben, berichten die Forschenden. Denn in einigen Fällen ist die Asche offenbar sogar bis in diese internen Strukturen gelangt.

Video: Durch die Ergebnisse der CT-Scans lassen sich die detaillierten 3D-Strukturen der Fossilien im Modell darstellen. © Greg Edgecombe

Neue Einblicke in die Trilobiten-Anatomie

Die Untersuchungen enthüllten nun auch Strukturen, die an weniger gut erhaltenen Fossilien bisher nicht entdeckt wurden. So war man etwa davon ausgegangen, dass Trilobiten hinter ihren langen Fühlern drei Paare von Kopfanhängseln besaßen. Doch wie nun die Funde von winzigen Strukturen im Bereich des Maules zeigten, gab es tatsächlich vier Paare. Erstmals konnten die Forschenden auch ein Gebilde bei den urzeitlichen Gliederfüßern nachweisen, das das Maul bedeckte – ein sogenanntes Labrum.

“Die Ergebnisse enthüllten außerdem in exquisiter Detailgenauigkeit eine Anhäufung spezialisierter Beinpaare um das Maul herum, was uns ein klareres Bild davon vermittelt, wie sich Trilobiten ernährten. Zudem zeigte sich, dass die Kopf- und Körperanhänge nach innen gerichtete Stachel-Formationen aufwiesen, ähnlich wie bei den heutigen Pfeilschwanzkrebsen”, sagt Co-Autor Harry Berks von der University of Bristol.

Neben den neuen Einblicken in die Anatomie der Trilobiten sieht das Team auch eine grundlegende Botschaft in den Studienergebnissen: „Diese Funde verdeutlichen, dass marine vulkanische Ascheablagerungen eine bisher wenig erforschte Quelle für außergewöhnlich erhaltene Organismen darstellen“, schreiben die Autoren. Dazu sagt Erst-Autor El Albani: “Ich denke, dass pyroklastische Ablagerungen zu einem neuen Ziel für Studien werden sollten, da sie ein außergewöhnliches Potenzial der Konservierung aufweisen. Entsprechende Erkenntnisse könnten zu bedeutenden Entdeckungen über die Entwicklung des Lebens auf unserem Planeten führen”, so der Wissenschaftler.

Quelle: University of Bristol, Fachartikel: Science, doi: Science, doi: 10.1126/science.adl4540

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