© Ben Koger
Wie und warum bewegen sich Tiergruppen und welche Rolle spielen dabei bestimmte Individuen? Um das Verhalten von in Gemeinschaften lebenden Arten wie Zebra und Co zu untersuchen, präsentieren Forscher ein neues Verfahren der Datenerfassung durch Drohnen mit anschließender Analyse durch künstliche Intelligenz. So lassen sich störungsfrei und mit vergleichsweise wenig Aufwand Informationen über Tiere sammeln, die ihrem Schutz und der Verhaltensforschung zugutekommen können, sagen die Wissenschaftler.
Einige Bewohner der Steppen- und Buschlandschaften, Affenarten und viele weitere Tierarten sind für ihre ausgeprägte Geselligkeit bekannt: Sie bilden Gemeinschaften oder größere Herden, die gemeinsam umherziehen und dabei interessante Muster der Gruppendynamik zeigen. Wie diese Systeme funktionieren und welche Bedeutung bestimmte Faktoren dabei haben, ist aus biologischer Sicht spannend und kann auch für den Schutz bedrohter Arten wichtig sein. Die Erforschung dieses Themas ist allerdings schwierig und aufwendig: Bestimmte Aspekte der Gruppendynamik bleiben verborgen oder müssen mühsam durch Auswertungen erfasst werden. Auch die Datensammlung durch das Ausrüsten von Individuen mit Datenloggern und Bewegungssensoren ist aufwendig und außerdem mit Belastungen für die teils gefährdeten Tierarten verbunden.
Adlerblick und Computeralgorithmen
Aus diesem Grund arbeiten die Wissenschaftler um Benjamin Koger vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz an einer Alternative. Nun präsentieren sie ihr Konzept, das sich im Fall von Tierarten nutzen lässt, die in offenen oder licht bewachsenen Landschaften leben: Sie setzen dabei Drohnen ein, die von hoch oben auf ganze Gruppen von Tieren blicken und dabei eine Reihe von Daten sammeln, die anschließend in spezieller Weise ausgewertet werden, um detaillierte Informationen zu generieren.
Konkret bedeutet das: Die Forscher lassen eine mit computergesteuerter Aufnahmetechnik ausgerüstete Drohne starten und steuern sie in eine Position hoch über einer Tiergruppe, sodass sie nicht gestört wird. Das Fluggerät erfasst dann detailliert die einzelnen Individuen, ihre Bewegungen sowie Verhaltensweisen und zudem die dreidimensionalen Merkmale der Landschaft inklusive Vegetation. Nach der Rückkehr der Drohne werden die Daten dann ausgelesen und durch spezielle Computeralgorithmen analysiert, die in Aufnahmen Informationen automatisch erkennen können.
Umfassende Infos zur Gruppendynamik
„Wir haben oft 20 oder mehr verschiedene Individuen gleichzeitig aufgenommen. Als Mensch würde es Wochen dauern zu bestimmen, wo sich jedes einzelne Individuum in einer einzigen halbstündigen Videobeobachtung aufhält. Die erste Herausforderung bestand daher darin, wie wir die Tiere, an denen wir interessiert waren, automatisch erkennen konnten“, sagt Koger“. Möglich wurde dies durch künstliche Intelligenz: Die Forscher nutzten leistungsstarke Deep-Learning-Algorithmen, die „lernen“ können, individuelle Merkmale von Tieren zu erkennen. Eine weitere Herausforderung war die Daten-Bereinigung für die Erfassung der Bewegungen der Tiere, erklären die Forscher. Denn die Videos waren auch von den Drohnenbewegungen geprägt und durch Verzerrungen durch Landschaftsstrukturen. Doch offenbar gelang es dem Team, die Hürden zu meistern und ein praktikables System zu entwickeln, wie sie am Beispiel von Grevy-Zebras in Kenia und Dschelada-Affen in Äthiopien zeigten.
„Die Stärke unserer bildbasierten Methode ist, dass sie eine umfassende Lösung darstellt“, sagt Koger. Weil die Drohne nicht nur die Tiergruppen, sondern auch die Landschaft erfasst, erhält man einen sehr umfassenden Datensatz, der Informationen über den sozialen und ökologischen Kontext aller Tiere der beobachteten Gruppe enthält. So kann ohne Störungen deutlich werden, wie soziale und räumliche Strukturen Verhaltensprozesse beeinflussen, wie etwa die Entscheidungsfindung und den Informationsaustausch in Gruppen.
Abschließend sagt Senior-Autorin Blair Costelloe von der Universität Konstanz: „Eine der Stärken unserer Methode ist, dass sie an viele verschiedene Tierarten und Umgebungen angepasst werden kann. Ich glaube, dass diese Methode uns helfen kann, ein Verständnis der Mechanismen zu entwickeln, wie individuelle Verhaltensweisen die übergeordneten Phänomene erzeugen, die für den Naturschutz relevant sind“, so die Wissenschaftlerin.
Video: Illustration zum Konzept des neuen Verfahrens. © Ben Koger
Quelle: Universität Konstanz, Fachartikel: Journal of Animal Ecology, doi: https://doi.org/10.1111/1365-2656.13904