Sie gedeihen, wo das berüchtigte Treibhausgas aus dem Meeresboden aufsteigt: Forscher berichten über Röhrenwürmer, deren Lebensgrundlage Methan bildet. Eine Partnerschaft mit methanoxidierenden Bakterien ermöglicht ihnen diese Lebensweise. Die beiden nun erstmals beschriebenen Wurmarten fangen somit Methan ab, das sonst bis in die Atmosphäre vordringen könnte. Deshalb sollten die Standorte dieser klimarelevanten Tiefseebewohner vor Störungen durch Fischernetze und Ölbohrungen geschützt werden, sagen die Forscher.
Das Kohlendioxid steht meist im Zentrum der Diskussionen um den Klimawandel – doch auch ein weiteres Treibhausgas versetzt die Welt in Fieber: Methan gelangt zwar deutlich weniger in die Atmosphäre, es besitzt aber eine rund 25-fach stärkere Treibhauswirkung als Kohlendioxid. Neben seiner anthropogenen Freisetzung sind auch natürliche Quellen dieses Gases bekannt: Es steigt aus Lagerstätten organischen Materials auf und auch aus dem Meer. Dort strömt es aus sogenannten „kalten Quellen“, die sich teilweise in großen Tiefen am Meeresboden befinden. Glücklicherweise erreicht nur ein Teil des dort austretenden Methans die Oberfläche, denn es wird schon in der Tiefe abgefangen – und zwar durch Lebewesen.
Es ist bereits bekannt, dass die Methanquellen regelrechte Oasen in den „Wüsten“ der Tiefsee bilden. Die Grundlage der Lebensgemeinschaften bilden dabei Bakterien, die Methan als Nahrung verwerten können, um Biomasse aufzubauen. Sie leben frei im Wasser oder bilden regelrechte Matten am Grund. Von ihnen ernährt sich wiederum eine illustre Gemeinschaft anderer Lebewesen – vom Wurm bis zur Krabbe. Es sind allerdings auch ein paar wenige Tiere bekannt, die diese Mikroben nicht verspeisen, sondern mit ihnen in Partnerschaft leben: Es gibt Muscheln, Schwämme und Würmer, die den Mikroben in oder auf ihren Körpern ein Zuhause bieten. Im Gegenzug liefern die Bakterien ihnen Nahrung, die aus dem Methanabbau stammt. Diesen symbiotischen Lebewesen haben die Wissenschaftler um Shana Goffredi vom Occidental College in Los Angeles nun zwei neue Vertreter hinzugefügt, denen möglicherweise große Bedeutung beim Methanabbau im Bereich der kalten Quellen zukommt.
Symbiose oder nicht?
Im Rahmen ihrer Untersuchungen von Lebensgemeinschaften rund um Methanquellen in der Tiefsee rückten zwei Vertreter der Röhrenwürmer ins Visier der Forscher. Es zeichnete sich ihnen zufolge ab, dass sie weltweit im Umfeld kalter Quellen häufig vorkommen. Eine der beiden Arten gehört zur Gattung Laminatubus, die andere zu den Bispira. Es handelt sich um Lebewesen, die in Röhren sitzen und an deren Öffnung federartige Strukturen ins Wasser strecken. Bisher nahm man an, dass die Röhrenwürmer mit diesen Gebilden nach methanoxidierenden Bakterien im Bereich der kalten Quellen fischen und sie sich als Futter einverleiben. Im Rahmen ihrer Studie sind Goffredi und ihre Kollegen nun dem Verdacht nachgegangen, dass diese Würmer stattdessen in Symbiose mit den Bakterien leben – das heißt, von ihnen besiedelt sind.
Die Forscher beschafften sich dazu Proben der Tiere durch Tauchfahren zu Methanquellen, die sich in einer Tiefe von 1768 bis 1887 Metern vor der Küste Costa Ricas befinden. An Bord des Forschungsschiffes wurden die lebenden Würmer in speziellen Behältern gehalten. Um zu untersuchen, ob sie Methan (CH4) verbrauchen, versorgten die Wissenschaftler sie mit einer markierten Version der Substanz, die das Kohlenstoffisotop C13 enthielt. Wie sie berichten, stellten sie nach einer Inkubation mit dem gekennzeichneten Methan im Beckenwasser Kohlendioxid fest, das mit dem Kohlenstoff-13 angereichert war. Das bedeutet: Die Würmer beziehungsweise ihre bakteriellen Partner hatten das Methan verarbeitet. Anschließende Untersuchungen bestätigten zudem, dass der Kohlenstoff-13 aus dem Methan auch in die Biomasse der Würmer übergegangenen war.
Klimarelevante Tiefseebewohner
Durch mikroskopische Untersuchungen kamen die Wissenschaftler anschließend auch den methanoxidierenden Bakterien auf die Spur. Es handelt sich demnach um Vertreter aus der Gruppe der Methylococcales, die in den federartigen Strukturen der Röhrenwürmer existieren. Dort leben sie geschützt und können Methan aus dem Wasser sammeln. Wie genau die Würmer dann die Nährstoffe von ihren Symbiosepartnern erhalten, ist bisher noch nicht ganz klar. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass die Zellen der Würmer einige Bakterien in sich aufnehmen und verdauen. Es ist aber auch möglich, dass es einen Transfer von energiereichen Substanzen von den Mikroben zu ihren Partnern gibt.
„Die beiden Wurmarten reihen sich damit nun in die kleine Gruppe von Tieren ein, von denen bekannt ist, dass sie eng mit methanoxidierenden Bakterien zusammenleben“, schreiben die Forscher. Unter diesen Lebewesen könnten die Röhrenwürmer allerdings eine besonders wichtige Stellung einnehmen, wie aus einem weiteren Ergebnis der Studie hervorgeht. Bei Erkundungen der Umgebung der kalten Quellen vor der Pazifikküste Costa Ricas stellten die Wissenschaftler fest: Die Würmer bedecken große Flächen um die Methanquellen und kommen bis zu 300 Meter weiter von ihnen entfernt vor als andere Organismen dieser Tiefseeoasen. Demnach können sie offenbar auch noch geringere Methankonzentrationen im Umfeld nutzen.
Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass Röhrenwürmer diese Rolle auch bei anderen Methanquellen der Welt spielen. Ihnen zufolge stellt sich somit die Frage, wie man die Grenzen der Bereiche dieser Ökosysteme definiert. Wenn man das Methan-abbauende Potenzial dieser Tiefseebewohner erhalten will, sollte ihre möglicherweise große Ausbreitung berücksichtigt werden. So könnte man die Lebensgemeinschaften der kalten Quellen vor Schäden durch die Tiefseefischerei und die Erdölförderung bewahren, sagen die Forscher.
Quelle: Science Advances, doi: https://advances.sciencemag.org/content/6/14/eaay8562