Neben Fliege und Co verfangen sich in den klebrigen Fäden auch berüchtigte Schwebstoffe der Luft: Untersuchungen von Spinnennetzen lassen Rückschlüsse auf die Belastungen der Stadtluft mit winzigen Plastikteilchen und Reifenabrieb zu, berichten Forscher. Die Ergebnisse belegen, dass die gefundenen Mengen die Bedingungen am jeweiligen Standort widerspiegeln. Spinnennetz-Analysen besitzen damit interessantes Potenzial als Nachweisverfahren, sagen die Wissenschaftler: Auf einfache und kostengünstige Weise könnten Partikel-Belastungen der Luft erfasst und besonders betroffene Bereiche identifiziert werden.
Nicht nur in Gewässern und Böden wimmelt es von den winzigen Kunststoffpartikeln – Studien der letzten Jahre haben aufgezeigt, dass sie auch in erheblichen Mengen durch die Luft schwirren können. Sogar auf entlegenen Eisflächen in Gebirgen und der Polregionen wurden diese Spuren der menschlichen Zivilisation bereits nachgewiesen. Das sogenannte Mikroplastik stammt dabei aus unterschiedlichen Quellen. Es handelt sich etwa um Zerfallsprodukte von Einkaufstüte und Co oder Faserbruchstücke von Textilien. Außerdem belastet Mikrogummi die Umwelt, das vor allem aus dem Reifenabrieb von Fahrzeugen stammt. Untersuchungen zeigen, dass die hartnäckigen Substanzen sich in Organismen einschließlich des Menschen anreichen können. Welche Folgen dies haben kann, ist derzeit ein Gegenstand der Forschung.
Achtbeinige Forschungs-Helferinnen
Eine grundlegende Frage ist dabei, wo und wie viele der unterschiedlichen Partikel durch die Luft wirbeln. Um dies zu erfassen, installieren Forscher normalerweise Kollektor-Systeme an den jeweiligen Untersuchungsstandorten. Doch möglicherweise werden solche Kollektoren dort schon von „achtbeinigen Mitarbeitern“ bereitgestellt, dachten sich die Wissenschaftler um Barbara Scholz-Böttcher von der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg: Sie kamen auf die Idee, auszuloten, inwieweit sich Spinnennetze zum Nachweis von Kunststoffpartikel-Belastungen der Luft eignen. „Spinnen kommen weltweit vor – auch in Städten. Ihre klebrigen Netze sind eine ideale Falle für alles, was durch die Luft schwebt. Bisher hat jedoch noch niemand Spinnennetze auf Mikroplastik untersucht“, sagt Scholz-Böttcher.
Für ihre Studie haben die Forscher Spinnennetze aus dem oberen Bereich halbüberdachter Bushaltestellen gesammelt. Diese Probennahmeorte befanden sich entlang unterschiedlich stark befahrener Straßen im Stadtgebiet von Oldenburg. Im Labor wurden die Proben anschließend verarbeitet, wobei die an den Netzen haftenden Teilchen auf Filter konzentriert wurden. Diese untersuchte das Team zunächst durch mikroskopische Analysen. Dabei zeigten sich bereits Partikel, die sich offenbar aus der Luft auf den klebrigen Fäden abgesetzt hatten. Anschließend erhitzten die Forscher die Proben und trennten die aus den Partikeln gebildeten Substanzen mittels eines Gaschromatographen auf. Ein nachgeschaltetes Massenspektrometer ermöglichte dann die Zuordnung und Bestimmung der verschiedenen Quellen.
Partikelbelastungen spiegeln sich in den Netzen wider
Aus den Analyseergebnissen ging hervor: „Alle Spinnennetze waren mit Mikroplastik verunreinigt“, berichtet Co-Autorin Isabel Goßmann von der Universität Oldenburg. Bei manchen machte der Plastikanteil sogar gut ein Zehntel des Gesamtgewichts eines Netzes aus, berichten die Wissenschaftler. Konkret konnten sie vor allem den Kunststoff PET (Polyethylenterephthalat) nachweisen, der vermutlich aus Textilien stammt. Außerdem zeigte sich, dass offenbar winzige Teilchen aus PVC (Polyvinylchlorid) an den Bushaltestellen durch die Luft schwirren. Dabei handelt es sich um ein weitverbreitetes Material vieler Kunststoffteile.
Auch die Verunreinigung der Luft durch den Abrieb von Autoreifen zeichnete sich deutlich ab. Wie die Wissenschaftler hervorheben, geht aus den Ergebnissen hervor, dass sich die schwebenden Partikel sehr schnell in den Spinnennetzen ansammeln. Dabei spiegelte sich in den festgestellten Mengen das jeweilige Verkehrsaufkommen an den Probennahmestellen wider. „Unsere Ergebnisse deuten außerdem darauf hin, dass der Abrieb von Straßenmarkierungen als eine weitere wichtige Quelle zur Mikroplastikfracht entlang von Straßen beiträgt“, sagt Scholz-Böttcher.
Den Forschern zufolge zeigen ihre Studienergebnisse das Potenzial der Spinnennetzmethode für das Umwelt-Monitoring auf: Das Verfahren bietet eine einfache und kostengünstige Alternative zu aufwändigen Messungen, um den Mikroplastik-Gehalt der unmittelbaren Umgebungsluft vergleichend einzuschätzen. Dies könnte etwa im Rahmen von weiterführenden toxikologischen Untersuchungen von Bedeutung sein, so die Wissenschaftler.
Quelle: Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg, Fachartikel: Science of the Total Environment, doi: 10.1016/j.scitotenv.2022.155008