Schleimaale – dieser Name ist Programm: Die heutigen Vertreter dieser Wesen sondern schlagartig enorme Glibbermassen ab, um sich vor Angreifern zu schützen. Das war schon vor 100 Millionen Jahren so, dokumentiert nun ein Schleimaal-Fossil samt versteinertem Sekret. Im Rahmen der Studie haben sich die Forscher außerdem erneut der kniffligen Frage gewidmet, wie diese alienartigen Wesen in den Stammbaum der Wirbeltiere einzuordnen sind. Ihnen zufolge sind die Merkmale der Schleimaale erst entstanden, nachdem sich ihre Entwicklungslinie vor etwa 500 Millionen Jahren vom Stammbaum der Wirbeltiere getrennt hatte.
Aus Sicht der Biologie sind sie faszinierend – landläufig würde man die Schleimaale allerdings eher als gruselig und ekelhaft bezeichnen: Es handelt sich um schleimige, schlangenförmige Aasfresser, die sich am Meeresgrund durch Kadaver winden. Die bis zu einen Meter langen Kreaturen besitzen einige Skelettelemente, aber keine Kiefer oder Zähne – dies unterscheidet sie von den „normalen“ Fischen, zu denen auch die echten Aale gehören. Schleimaale benutzen hingegen eine Art stachelige Zunge in ihrem Tentakel umsäumten Maul, um toten Meerestieren wie etwa Walen das Fleisch abzuraspeln. Zu diesen bizarren Merkmalen passt auch ihr skurriles Verteidigungssystem: Wenn sie belästigt werden, können sie das umgebende Wasser schlagartig in eine Schleimwolke verwandeln, die Räubern das Zuschnappen erschwert und ihnen die Kiemen verstopft.
Kreidezeitliche Schleim-Attacken
Da die Schleimaale weitgehend aus weichem Material bestehen, gibt es nur sehr wenige fossile Zeugnisse, die Licht auf ihre Evolutionsgeschichte werfen. Doch nun präsentieren die Forscher um Tetsuto Miyashita von der University of Chicago ein erstaunlich detailreiches Fossil eines Vertreters der Schleimaale aus der Kreidezeit. Der Fund stammt aus einer Kalksteinlagerstätte im Libanon, wo sich vor 100 Millionen Jahren noch ein Meer befand. Dem etwa 30 Zentimeter langen Fossil haben die Forscher eine aufwändige Untersuchung gewidmet: Sie verwendeten unter anderem eine Bildgebungstechnologie namens Synchrotron-Scanning, um chemische Spuren von weichem Gewebe zu identifizieren.
So zeigte sich: Sogar Überbleibsel von Schleim können die Jahrmillionen überdauern. Konkret identifizierten die Forscher die Spuren von Keratin. Dabei handelt es sich um die Substanz, aus der unsere Fingernägel bestehen. Bei den heutigen Schleimaalen bildet Keratin bekanntermaßen das Geheimnis hinter der „Wucht“ ihres Schleims. Sie besitzen eine Reihe von Drüsen entlang ihres Körpers, die ein Sekret produzieren, in dem winzige Pakete aus eng zusammengerollten Keratinfasern stecken. Wenn diese Gebilde auf Meerwasser treffen, explodieren die Fasern regelrecht und bilden dadurch eine Wolke aus zähem Schleim.
Entlang des Körpers des Fossils haben die Forscher nun eine erhöhte Keratinkonzentration nachgewiesen. Ihnen zufolge geht aus diesem Befund hervor, dass auch der kreidezeitliche Vertreter dieser Tiergruppe seine Feinde schon „angerotzt“ hat. Damals waren möglicherweise auch heute ausgestorbene Raubtiere wie Plesiosaurier und Ichthyosaurier das Ziel der Schleim-Attacken, sagen die Wissenschaftler.
Licht auf eine mysteriöse Entwicklungsgeschichte
In der Studie geht es allerdings nicht primär um den fossilen Schleim. Den Forschern zufolge geben weitere Merkmale des neuen Fossils nun Hinweise auf die mysteriöse Entwicklungsgeschichte der Schleimaale. Bisher gibt es in diesem Zusammenhang zwei unterschiedliche Ansichten: Einige Wissenschaftler ordnen diese Wesen gar nicht den Wirbeltieren zu. Wegen der scheinbar primitiven Merkmale sehen sie in ihnen Nachfahren einer älteren Lebensform. Dies impliziert, dass alle Fische und somit auch die anderen Wirbeltiere einen gemeinsamen Vorfahren besessen haben könnten, der Merkmale wie ein Schleimaal aufwies. Diesem Ansatz widersprechen hingegen genetische Untersuchungen. Sie weisen auf die nahe Verwandtschaft der Schleimaale mit den ebenfalls kieferlosen Neunaugen hin. Konkret legen die genetischen Merkmale nahe, dass die primitiv wirkende Merkmale der kieferlosen Fische gar nicht so urtümlich sind, sondern sich erst später entwickelt haben.
qGenau diese Erklärung unterstützen nun auch die Ergebnisse der aktuellen Studie. Unter anderem basierend auf den Untersuchungsergebnissen des neuen Fossils bewerteten die Autoren die Merkmale der Schleimaale sowie der Neunaugen neu und führten sogenannte phylogenetische Analysen durch. Den Ergebnissen zufolge wird nun immer wahrscheinlicher, dass der gemeinsame Vorfahre der kieferlosen Fische und der übrigen Wirbeltiere bereits ein Wesen war, das eher einem normalen Fisch ähnelte, resümieren die Wissenschaftler.