Die mit dem Seepferdchen verwandte Seenadel Syngnathus scovelli betreibt eine außergewöhnliche Auswahl ihrer Nachkommenschaft: Die für das Kinderbekommen zuständigen Männchen lassen während ihrer Schwangerschaft weniger Nachkommen überleben, wenn diese mit kleinen Partnerinnen gezeugt wurden. Das hat ein US-Forscherteam bei der Beobachtung des Brutverhaltens herausgefunden. Nachdem die Weibchen ihre Eier in die Bruttasche der Männchen gelegt haben, wachsen die Seenadel-Embryonen dort heran und werden durch umgebendes Gewebe mit Nährstoffen versorgt. Die Väter lassen dem Nachwuchs von kleinen Partnerinnen aber weniger Nährstoffe zukommen oder entziehen ihnen diese sogar aktiv. Bei großen Weibchen sind die Nachkommen fitter und haben in der Natur eine höhere Überlebenschance. Deshalb investieren die Väter bei ihnen mehr Energie in die kräftezehrende Versorgung, berichten Kimberly Paczolt und Adam Jones von der Texas A&M University in College Station.
Bei Seepferdchen und ihren Verwandten wie etwa den Seenadeln tritt ein faszinierendes Phänomen auf: die männliche Schwangerschaft. Während der Paarung legt das Weibchen seine Eier in den Brutbeutel des Männchens ab. Sie werden dann über das Gewebe in der Bruttasche bis zur Geburt mit Sauerstoff und Nahrung versorgt. Neuere Studienergebnisse nährten die Vermutung, dass die Väter auch in unbekannter Weise Einfluss auf die Embryonen nehmen könnten.
Die Wissenschaftler überprüften diese Möglichkeit an einer bestimmten Seenadel-Art, dem sogenannten “Gulf Pipefish”. Sie verpaarten männliche und weibliche Seenadeln und überwachten anschließend die Entwicklung der Embryos. Bei der Paarung zeigte sich, dass die Männchen möglichst große Weibchen bevorzugten. Standen nur kleine Weibchen zur Wahl ließen sich die Männchen deutlich länger Zeit, bis es zur Paarung kam ? es hätte ja noch ein größeres Weibchen vorbeikommen können. Zudem war die Sterblichkeit der aus der Paarung mit kleinen Weibchen resultierenden Embryonen deutlich höher. Dafür sind die Männchen verantwortlich: Sie paaren sich zwar auch mit kleinen Weibchen, da in der freien Natur eine unbegrenzte Auswahl nicht möglich ist. Bei den aus der Paarung entstehenden Embryos sparen sie dann jedoch mit Nährstoffen, um Ressourcen für potenzielle Nachkommen von fitteren Müttern aufzusparen.
Dieser haushälterische Umgang mit Investitionen bei der Brut ist nötig, da Schwangerschaften viel Energie verbrauchen. Die Nährstoffe reichen beispielsweise nicht für zwei direkt aufeinander folgende Schwangerschaften. Die generell fitteren Nachkommen von großen Weibchen haben in der Natur eine höhere Überlebenschance und genießen aus diesem Grund mehr Zuwendung von Seiten der Väter. Diese selektive Nährstoffverteilung durch den Vater dürfte wohl noch weiter reichen: Bei einem nahen Verwandten des Gulf Pipefish ergaben Untersuchungen, dass dieser den Embryonen über den Brutbeutel sogar Nährstoffe entziehen kann, um sie selbst zu verwenden.
Kimberly Paczolt und Adam Jones (Texas A&M University, College Station): Nature, doi: 10.1038/nature08861 ddp/wissenschaft.de ? Thomas Neuenschwander