Verkehrsunfälle, Stürze, Gewalt – Schläge auf den Schädel und Hirnverletzungen gehören zu den häufigsten Ursachen lebensbedrohlicher Zustände: Allein in den USA sterben jedes Jahr etwa 50.000 Menschen an den Folgen. Das Hauptproblem: Durch Schwellungen kann sich im Schädel Druck aufbauen, der zu weiteren Schäden oder sogar dem Tod des Betroffenen führt. Um diese Bedrohung im Auge behalten zu können, werden heutzutage in kritischen Fällen Sensoren in das Gehirn implantiert, die den Druck überwachen. “Die dafür üblichen Geräte basieren allerdings auf Technologien der 1980er Jahre: Sie sind groß und ihre Handhabung ist umständlich”, sagt Rory Murphy von der Washington University School of Medicine in St. Louis. Die aktuellen Verfahren gehen außerdem mit weiteren Risiken einher: Die Sensoren müssen später wieder operativ entfernt werden und können für Komplikationen sorgen. Oft kommt es zu Infektionen, Entzündungen oder zur Freisetzung problematischer Substanzen. Aus diesen Gründen haben sich Murphy und seine Kollegen der Entwicklung modernerer Verfahren gewidmet.
Rausoperieren nicht mehr nötig
Ihr Konzept basiert auf winzigen Geräten, die aus Materialien bestehen, die vom Körper abgebaut werden können. Es handelt sich hauptsächlich um Polylactid-co-Glycolid (PLGA) – eine organische Substanz auf Milchsäurebasis. Die Abbaubarkeit dieses Stoffes wird bereits bei Operationen genutzt: Es gibt chirurgisches Nahtmaterial aus PLGA. In Kombination mit ebenfalls abbaubaren Silikon-Materialien gelang es den Forschern, den winzigen Geräten technische Funktionen zu geben: Sie können Druck sowie Temperaturen erfassen. An einen Transmitter angeschlossen können sie diese Informationen dann drahtlos an Überwachungssysteme übertragen.
Nachdem die Forscher gezeigt hatten, dass sich die Sensoren in Salzlösungen nach wenigen Tagen tatsächlich auflösen, gingen sie zum ersten praxisnahen Test über: Sie implantierten Laborratten die Sensoren ins Gehirn. Auch hier erwies sich das Konzept als erfolgreich: Die Geräte vermittelten Daten in ähnlicher Qualität wie die herkömmlichen Implantate – anschließend verschwanden sie aber spurlos aus den Gehirnen der Versuchstiere, berichten die Forscher. Sie optimieren ihr System nun weiter und planen, es nun auch bald an menschlichen Patienten zu testen. Im Laufe der nächsten Jahre könnten ihre Entwicklungen Einzug in die medizinische Praxis finden, hoffen die Wissenschaftler.
Viele weitere Anwendungsmöglichkeiten
Das Potenzial des Systems geht ihnen zufolge allerdings deutlich über die Einsatzmöglichkeiten in der Hirnmedizin hinaus: Biomedizinische Geräte, die sich später auflösen, könnten für viele Anwendungen interessant sein. “Wir haben bereits eine Reihe von Gerätevarianten, Materialien und Messfunktionen zum Einsatz in anderen klinischen Kontexten konzipiert”, sagt Co-Autor John Rogers von der University of Illinois in Urbana-Champaign. “Wir glauben, dass es auch bald möglich sein wird, therapeutische Funktionen wie beispielsweise elektrische Stimulation oder Medikamentenabgabe durch das System vermitteln zu können”.