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Seesterne sehen mit den Armen

Erde|Umwelt

Seesterne sehen mit den Armen
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Der tropische Seestern Seestern Linckia laevigata (Anders Lydik Garm)
Auch Seesterne haben Augen: An der Spitze jedes ihrer Arme sitzt ein Bündel von Sehzellen, die ein primitives Komplexauge bilden. Ob die Tiere diese Augen aber überhaupt benutzen und wozu, blieb bisher rätselhaft. Denn ein eindeutig durch den Sehsinn gesteuertes Verhalten konnte keiner bei ihnen entdecken – bis jetzt. In einem raffinierten Experiment haben zwei Forscher nun erstmals nachgewiesen, dass die Seesterne ihre Augen an den Arm-Enden doch einsetzen – um ihr Korallenriff wieder zu finden. Und auch, was die Tiere dabei sehen können und was nicht, haben die Biologen nun aufgeklärt.

Um die Augen der Seesterne zu finden, muss man schon ganz genau hinschauen: Die winzigen Sehorgane sitzen an der Spitze jedes Arms in einer Grube verborgen, die von umgewandelten Saugnapf-Füßen umgeben ist. Sie bestehen aus 50 bis 200 einzelnen Sehzellen, die ihrerseits wiederum mehrere Photorezeptoren mit Sehpigment enthalten. Ähnlich wie bei Insekten und Krebsen bilden diese Einzelaugen ein Komplexauge, allerdings eines ohne fokussierende Linsen. Man vermutet, dass die Seesterne damit nicht nur hell und dunkel, sondern möglicherweise sogar Formen und Objekte erkennen können. Ob das aber stimmt, wusste man nicht. “Obwohl die Existenz dieser Komplexaugen bei Seesternen schon seit rund zwei Jahrhunderten bekannt ist, ist bis heute unklar, wozu diese Tiere so spezielle Augen besitzen”, erklären Anders Garm von der Universität von Kopenhagen und sein Kollege Dan-Eric Nilsson von der schwedischen Lund Universität. Die beiden Biologen sind dieser Frage daher nun in Experimenten und durch genauere Untersuchungen der Seestern-Augen nachgegangen.

Verschwommener Rundumblick

Für ihre Studie testeten die Forscher zunächst, was der in tropischen Meeren verbreitete Seestern Linckia laevigata überhaupt mit seinen Arm-Augen erkennen kann. Dafür leiteten sie unter anderem die elektrischen Signale von freipräparierten Sehzellen ab und vermaßen die Augengeometrie. Wie sich zeigte, ist das Gesichtsfeld der Seestern-Augen ziemlich groß: Jedes Komplexauge deckt 210° in seitlicher Richtung und 170° in vertikaler Richtung ab. “Zusammen gibt dies den Tieren die Fähigkeit, auf einen Blick ihr gesamtes Umfeld zu sehen”, erklären Garm und Nilsson.

Allerdings: Das was der Seestern sieht, ist nicht sonderlich viel. Denn er ist farbenblind und die Auflösung seiner Augen reicht nur für große Strukturen, wie beispielsweise das nahegelegene Korallenriff. Auch für schnelle Bewegungen ist der Seestern blind, wie die Forscher berichten. Zum Erspähen von Beute, Artgenossen oder Feinden sind die Arm-Augen der Seesterne daher ziemlich nutzlos. Vielleicht aber, so die Hypothese der Forscher, setzen die Seesterne ihren eher schwachen Sehsinn ja zur Orientierung am Meeresboden ein.

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Um das zu testen, führten Garm und Nilsson am Meeresgrund vor Japan ein Experiment durch. Dabei setzten sie zunächst zehn intakte Linckia-Seesterne in verschiedenen Abständen von einem kleinen, rund drei Meter hohen und sechs Meter breiten Korallenriff aus. Mit Unterwasserkameras beobachteten sie, ob die Seesterne den Weg zurück ins Riff fanden oder nicht. Den gleichen Versuch führten sie dann mit zehn Seesternen durch, denen die Augen herausoperiert worden waren und mit zehn weiteren, denen nur zwei Füße entfernt wurden, die aber damit eine vergleichbare Operation hinter sich hatten.

Irrwege am Riff

Das Ergebnis: Sowohl die intakten als auch die Fußoperierten Seesterne krochen aus einem Meter Entfernung schnurstracks in Richtung Riff zurück. Schon bei zwei bis fünf Metern allerdings irrten sie orientierungslos umher. “Auf kurze Distanzen scheinen sie daher das Riff gut erkennen zu können”, berichten die Forscher. Anders die augenlosen Versuchstiere: Sie fanden selbst das nur einen Meter entfernte Riff nicht und krochen in alle Richtungen. Auch intakte Seesterne, die bei stockdunkler, mondloser Nacht am Riff ausgesetzt wurden, verloren ihre sonst auf diese kurze Distanz gute Orientierung. Das spricht nach Ansicht der Biologen dafür, dass sich diese Seesterne bei der Suche nach dem Riff tatsächlich visuell orientieren und nicht wie andere Arten, nach dem Geruch.

“Unseres Wissens nach ist das das erste Mal, dass ein solches durch die Komplexaugen gesteuertes Verhalten bei einem Seestern nachgewiesen wurde”, konstatieren Garm und Nilsson. Zwar funktioniert diese Navigation per Sicht nur auf kurze Distanz und nur dann, wenn das dunkle Riff mehr als ein Drittel des vertikalen Gesichtsfelds der Tiere einnimmt. Aber sie zeigt, dass die vielarmigen Weichtiere keineswegs blind über den Meeresboden kriechen. Ihre schwache Sehkraft reicht immerhin aus, um sicherzustellen, dass sie ihr heimatliches Riff nicht aus den Augen verlieren – und damit auch nicht ihre Lieblingsspeise, die dort wachsenden Korallen.

 

 

 

 

Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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