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Seeigel-Sterben breitet sich aus

Korallenriffe

Seeigel-Sterben breitet sich aus
Überreste toter Seeigel, die am Strand der Insel Reunion im Indischen Ozean angespült wurden. © Jean-Pascal Quod

Die „Gärtner“ der Korallenriffe könnten einer globalen Pandemie zum Opfer fallen, warnen Forschende: Eine 2022 entdeckte Erkrankung hat die Seeigel im Roten Meer bereits stark dezimiert und sich auch schon bis in den Indischen Ozean ausgebreitet, zeigt ihre Studie. Sie konnten nun außerdem den Verursacher des Massensterbens genauer identifizieren: einen parasitischen Einzeller, der offenbar durch die Schifffahrt verbreitet wird.

Sie halten in den Unterwassergärten gleichsam das Unkraut in Schach: Seeigel ernähren sich von Algen, die auf Korallenstrukturen wachsen und schützen die empfindlichen Nesseltiere dadurch vor der wuchernden Konkurrenz. Wenn es zu wenige der stacheligen „Gärtner“ gibt, können Korallenriffe unter der grünen Last regelrecht ersticken. Diese Bedeutung der Seeigel wurde erstmals 1983 in der Karibik drastisch deutlich: Eine damals mysteriöse Erkrankung hatte die Stachelhäuter dort massenhaft dahingerafft – mit verheerenden ökologischen Folgen. Seitdem kam es zu weiteren Erkrankungswellen wodurch sich die Seeigel-Bestände und die betroffenen Riffe bisher nicht komplett erholen konnten.

Zuletzt griff das Massensterben dort 2022 um sich. In diesem Fall blieb die Erkrankung aber offenbar nicht auf die Karibik beschränkt: Zunächst verendeten auch im Mittelmeer massenweise die Seeigel und dann breitete sich die Seuche ins Rote Meer aus. Darüber berichteten die Forschenden um Omri Bronstein von der Tel Aviv University bereits im vergangenen Jahr. Seitdem haben sie sich nun intensiv der weiteren Erforschung der Erkrankung und seiner Ausbreitung gewidmet.

Schon bis in den Indischen Ozean vorgedrungen

Wie die Forschenden in ihrer aktuellen Studie berichten, wurde die Bedeutung der Epidemie immer deutlicher: Im Golf von Akaba, wo sich das Sterben im Dezember 2022 erstmals abzeichnete, sind mittlerweile die beiden wichtigsten Seeigelarten völlig verschwunden. Die Erkrankung hat sich aber auch schon weit über diesen nördlichen Ausläufer des Roten Meeres nach Süden ausgebreitet: Sie ist mittlerweile auch schon weit in den Indischen Ozean vorgedrungen. „Das Sterben erstreckt sich nun über das Rote Meer, den Golf von Oman und den Westindischen Ozean wobei der Rückgang der Populationen an einigen Stellen 100 Prozent erreichte“, schreiben die Wissenschaftler. Dazu präsentieren sie Bilder von Stränden der östlich von Madagaskar gelegenen Insel Reunion, die mit den Überresten von toten Seeigeln übersät sind.

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„In unserer Studie haben wir auch gezeigt, dass sich die Epidemie entlang der Verkehrswege ausgebreitet hat. Das beste Beispiel ist dabei der Bereich um Nueiba auf dem Sinai, wo die Fähre aus der jordanischen Stadt Akaba anlegt. Als wir unseren Bericht im letzten Jahr veröffentlichten, wussten wir bereits von dem Seeigel-Sterben in Akaba, hatten aber noch keine Anzeichen für den Befall im Sinai-Bereich gefunden. Der erste Ort, an dem wir dort schließlich ein Seeigel-Sterben feststellten, war neben der Anlegestelle in Nueiba. Zwei Wochen später hatte die Epidemie dann auch schon Dahab, etwa 70 Kilometer weiter südlich, erreicht.“ Anschließend wurden auch dort die Seeigel innerhalb weniger Tage ausgelöscht. „Massenweise rollten die Überreste auf dem Meeresboden umher“, so Bronstein.

Ein tödlicher Parasit

Das Team konnte durch molekulargenetische Methoden nun auch die bisherige Vermutung bestätigen, nach der der gleiche Erreger für die Epidemie verantwortlich ist, der das Massensterben in der Karibik verursacht hat. Es handelt sich dabei um einen parasitischen Vertreter der Wimperntierchen. Kameraaufnahmen von befallenen Seeigeln dokumentierten dabei zudem, wie genau die Erkrankung abläuft. Der tödliche Erreger infiziert die Seeigel demnach über das Wasser. Innerhalb von zwei Tagen zerfällt dann das Gewebe der Tiere und sie verlieren ihre Stacheln. Oft werden sie schon während des Prozesses von Raubtieren gefressen, da sie sich nicht mehr verteidigen können. In ihrer Studie konnten die Forscher zudem aufzeigen, dass offenbar mehr Seeigelarten von der Erkrankung befallen werden als bisher gedacht.

Es steht somit zu befürchten, dass Massensterben nun weitere Meeresregionen der Welt erreichen könnte und dort die wichtigen “Reinigungskräfte“ der Korallenriffe vernichtet. “Dies ist eine wachsende ökologische Krise, die die Stabilität von Korallenriffen in beispiellosem Maßstab bedroht“, sagt Bronstein. Doch was lässt sich dagegen tun? Bronstein zufolge gibt es derzeit leider keine Möglichkeit, infizierten Seeigeln zu helfen oder sie gegen die Krankheit zu impfen. Es könnte allerdings sinnvoll sein, Reservepopulationen in Anlagen zu züchten, die vom Meer getrennt sind. Nach dem Abklingen der Pandemie könnten diese Tiere dann dazu dienen, die Riffe wiederzubesiedeln, erklären die Forschenden. “Außerdem müssen wir jetzt weiter erforschen, welche Faktoren zu diesem Ausbruch geführt haben“, so Bronstein abschließend.

Quelle: Tel Aviv University, Fachartikel: Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2024.04.057

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