Der Wiesenbrüterschutz hat in Bayern eine lange Tradition. Doch auch die jahrzehntelangen intensiven Schutzbestrebungen konnten Bestandsrückgänge zwar abbremsen, nicht aber ganz verhindern. Noch immer ist die Situation der Vögel schwierig. Deshalb rief das das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) 2013 das Artenhilfsprogramm Wiesenbrüter in Bayern ins Leben. Die gute Nachricht: Langjährig betreute Wiesenbrüterschutzgebiet zeigen, dass sich Bestände stabilisieren können. Dort, wo sich ausgebildete Ansprechpartner vor Ort als Bindeglied zwischen Naturschutzbehörden und Landwirten einsetzen, die Akteure vernetzten, Vertrauen zu den Landwirten aufbauen und gemeinsam ein Mosaik aus kurz-und langfristigen Schutzmaßnahmen umsetzen, ist die Bilanz positiv. Tim Korschefsky vom LfU koordiniert das Artenhilfsprogramm.
natur: Herr Korschefsky, Sie arbeiten als Projektleiter für das Artenhilfsprogramm Wiesenbrüter in Bayern am Bayerischen Landesamt für Umwelt an der Vogelschutzwarte in Garmisch-Partenkirchen. Wie muss man sich Ihre Arbeit konkret vorstellen?
Tim Korschefsky: So vielfältig wie die Welt der Wiesenbrüter. Wichtig für einen effizienten Schutz der Vögel ist eine belastbare Datengrundlage zu Brutbeständen und Reproduktionserfolgen. Das LfU initiiert und begleitet daher verschiedene Monitoring-Aktivitäten – so findet beispielswiese jährlich eine Bestandserfassung wiesenbrütender Vogelarten im Altmühltal statt. Das Wiesmet in den Landkreisen Weißenburg-Gunzenhausen und Ansbach, beherbergt eine der letzten und gleichzeitig die größte Uferschnepfenkolonie Süddeutschlands. Im letzten Jahr haben wir dort in Zusammenarbeit mit allen lokalen Akteuren eine Steuergruppe initiiert, die für einen engen Austausch aller Beteiligten sorgt, Maßnahmen abgestimmt umsetzt und somit dem drohenden Aussterben der Uferschnepfe vorbeugen soll.
Wie beurteilen Sie den Einsatz der vielen Freiwilligen im Wiesenbrüterschutz?
Deren Betreuung liegt mir besonders am Herzen. Ohne die vielen zum Teil ehrenamtlichen Helfer ließe sich diese Herkulesaufgabe nicht meistern. Um hier neue Mitstreiter zu gewinnen und den bereits vorhandenen etwas zurückzugeben, veranstaltet das LfU in Kooperation mit der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege jährlich die Wiesenbrüterberaterschulung, wo wir umfassende Kenntnisse zum Wiesenbrüterschutz vermitteln. Ich koordiniere zudem den Informationsaustausch zwischen den Akteuren im Wiesenbrüterschutz in Bayern und berate sie fachlich. Und was mich freut: ich habe noch Zeit für Ortseinsichten im Gelände.
Welche Schutzmaßnahmen haben sich bisher als erfolgreich herausgestellt, um den negativen Bestandstrend aufzuhalten?
Bewirtschaftungsruhe und hohe Grundwasserstände auf (Moor)Wiesen zur Brutzeit, Beseitigung von Gehölzen oder das Fernhalten von Störungen, die etwa von Spaziergängern, Radfahrern und Hunden ausgehen, sind wichtige Beispiele. Diese Maßnahmen erfordern einen hohen Personalaufwand. Die intensive Betreuung von Wiesenbrütergebieten und ein enger Kontakt zu den Landwirten sind essentielle Grundpfeiler unsere Bemühungen. In gut betreuten Gebieten ist die Chance ungleich höher, den Abwärtstrend des Wiesenbrüterbestands aufzuhalten.
Wie geht es den Wiesenbrütern denn deutschland- und europaweit?
Sowohl deutschland- als auch europaweit schwinden Wiesenbrüterbestände massiv. In Deutschland sind drei Arten vom Aussterben bedroht (Brachvogel, Uferschnepfe und Bekassine), vier Arten stark gefährdet (Wachtelkönig, Kiebitz, Braunkehlchen und Wiesenpieper), eine Art gefährdet (Rotschenkel) und eine Art auf der Vorwarnliste (Grauammer). Die Veröffentlichung der deutschen Roten Liste liegt bereits vier Jahre zurück und die Bestände sind wissenschaftlichen Studien zufolge seither weiter deutlich zurückgegangen.
Was sind die Gründe für diese traurige Entwicklung?
Lebensraumverluste und die Intensivierung der Landwirtschaft sind die Hauptgründe. So hat sich zum Beispiel der Kiebitz zwar zunächst durch die fortschreitende Entwässerung von Feuchtwiesen vom Wiesenvogel zum Feldvogel entwickelt und damit an die veränderten Lebensräume angepasst. Doch durch die intensivere Bewirtschaftung der Felder bleiben seine Bruterfolge weiterhin aus. Der veränderte Wasserhaushalt und der vermehrte Gehölzaufwuchs verbessern zudem die Lebensbedingungen für Prädatoren. So haben beispielsweise die Bestände des Rotfuchses sehr stark zugenommen.
Was ist für Sie die größte Herausforderung bei Ihrer Arbeit?
In Bayern ist die Vielzahl an Grundstücken – mit zahlreichen Eigentümern und Bewirtschaftern in jedem einzelnen Wiesenbrüterlebensraum – eine riesige Herausforderung: Jeder Landwirt hat unterschiedliche betriebliche Anforderungen. Nicht immer sind die Agrarumweltmaßnahmen wie Vertragsnaturschutzprogramm und Kulturlandschaftsprogramm für die jeweilige Betriebsstruktur geeignet. Mit den heutigen Pachtpreisen für Grünland können die Umweltmaßnahmen oft nicht konkurrieren. Daher bedarf es Änderungen auf politischer Ebene – die kommende Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU bietet dafür große Chancen. Frühzeitiges Handeln schützt unsere Wiesenbrüter und spart personelle und finanzielle Ressourcen. Denn haben Wiesenbrüter ihre angestammten Brutplätze einmal verlassen, ist die Wiederansiedlung in der Regel schwer. Ich bin dennoch hoffnungsvoll, gerade Dank der Ehrenamtler. Wenn alle Akteure gemeinsam an einem Strang ziehen, können wir wiesenbrütende Vogelarten effizient und nachhaltig schützen.
Tim Korschefsky arbeitet beim Bayerischen Landesamt für Umwelt an der Staatlichen Vogelschutzwarte Garmisch-Partenkirchen. Er ist tätig im Artenhilfsprogramm Wiesenbrüter in Bayern
Für Interessierte: Eine umfangreiche Zusammenfassung über Maßnahmen und Zahlen liefert die Veröffentlichung des LfU „35 Jahre Wiesenbrüterschutz in Bayern – Situation, Analyse, Bewertung, Perspektiven“.
Dieses Interview ergänzt einen Text über die Situation der Wiesenbrüter in Deutschland in der Juni-Ausgabe von natur. Die Print- oder Pdf-Ausgabe erhalten Sie hier.