Ob Fuchs, Wildschwein oder Habicht: Immer mehr Wildtiere haben sich an unsere Gegenwart gewöhnt und leben inzwischen sogar mitten unter uns in unseren Städten. Berlin gilt sogar als die “Hauptstadt der Wildschweine”, weil die Schwarzkittel dort regelmäßig nicht nur in den Wäldern, sondern auch in innerstädtischen Parks oder Wohnsiedlungen gesichtet werden – was nicht immer für Begeisterung sorgt.
Berliner “Stadtschweine” ausspioniert
Aber wie haben sich diese “Städter” unter den Wildschweinen an ihre Umgebung angepasst? Wie kommen sie mit dem Lärm und den ständigen Störungen klar? Um das herauszufinden, haben Biologen des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) gemeinsam mit Förstern aus Berlin und Brandenburg das Verhalten von Stadt- und Landwildschweinen näher untersucht und verglichen.
Für ihre Studie beobachteten die Forscher die Tiere nicht nur, sie statteten 13 Wildschweine auch mit GPS-Halsbändern aus. Diese zeichneten über mehrere Monate hinweg alle 30 Minuten den Aufenthaltsort der Tiere auf. Dies erlaubte es den Wissenschaftlern, mitzuverfolgen, wie sich die Wildschweine in der Stadt fortbewegen und wo sie sich bevorzugt aufhalten.
Stadt-Wildschweine sind gelassener
Das Ergebnis: “Überraschenderweise haben die urbanen Wildschweine oft in unmittelbarer Nähe zu Straßen, stark besuchten Badestellen oder in Gärten mitten in Siedlungsgebieten ihre Verstecke gehabt und sind nachts um die Häuser gezogen”, berichtet Milena Stillfried vom IZW. Offenbar lassen sich die an die Stadt gewöhnten Wildschweine kaum mehr von Lärm und Störungen aus der Ruhe bringen – anders als ihre Artgenossen aus dem ländlichen Umland.
Während Stadtschweine den Menschen beispielsweise bis auf 30 Meter oder oft noch viel näher an sich heranlassen, fliehen die meisten Landschweine schon ab einer Distanz von 90 Metern – oder sie werden gar nicht erst gesichtet, weil sie so scheu sind. Aus ihren Beobachtungen schließen die Forscher, dass die urbanen Wildschweine das Störungspotenzial durch den Menschen und städtische Strukturen ganz anders wahrnehmen und tolerieren als die Landschweine.
Menschen nicht mehr als Bedrohung gesehen
Die Biologen vermuten, dass die Stadtschweine schlicht gelernt haben, dass von Menschen und von städtischen Strukturen wie Straßen und Häusern üblicherweise keine Gefahr ausgeht. Wie sie erklären, stimmt dies gut mit dem Konzept der “Landscape of fear” (= Landschaft der Gefahr) überein. Nach diesem erwerben Wildtiere im Laufe der Zeit ein gutes Verständnis darüber, welche Flächen innerhalb ihres Lebensraums ein erhöhtes Risiko für eine Störung haben.
Aus der Perspektive vieler Wildtiere geht dabei vom Menschen eine größere Störung und damit Gefahr aus als von natürlichen Prädatoren. An die Stadt gewöhnte Wildtiere jedoch haben gelernt, dass die Menschen sie in der Regel ignorieren und sie ihnen daher nicht gefährlich sind. Das ermöglicht es den Berliner Stadt-Wildschweinen, Lebensräume für sich zu nutzen, um die ihre ländlichen Artgenossen einen großen Bogen machen würden.
Durch die GPS-Daten von den Stadt-Wildschweinen haben die Forscher jetzt ein relativ umfassendes Bild gewonnen, wann und wo sich in Berlin die Wildschweine tummeln. “So ist es auch möglich, Vorhersagekarten zu erstellen, die mögliche Wildschwein-Hotspots zeigen und für Behörden von großem Interesse sein können”, sagt Stephanie Kramer-Schadt vom IZW. Für Behörden ist die aktuelle Kartierung eine wichtige Datengrundlage für einen verbesserten Umgang von Mensch und Wildtier.
Quelle: Forschungsverbund Berlin e.V.