Killerwale und Delfine schlafen in den ersten Wochen nach der Geburt nicht, genauso wie ihre Mütter. Das haben amerikanische Wissenschaftler bei in einem Becken gehaltenen Killerwalen und Großen Tümmlern beobachtet. Schlaf wurde bisher als unverzichtbar für die gesunde Entwicklung angesehen. Keine andere Säugetierart kommt ohne ihn aus.
Normalerweise ruhten die ausgewachsenen weiblichen
Orcas durchschnittlich 5 bis 8 Stunden pro Tag, während sie sich an der Wasseroberfläche oder am Beckengrund treiben ließen. Nicht so bei den jungen Müttern und ihrem Nachwuchs: Die Neugeborenen tauchten im ersten Monat alle 3 bis 30 Sekunden zum Luftholen auf, ohne ihre Mütter aus den Augen zu lassen. An Schlaf war daher für beide nicht zu denken. Ein ähnliches Bild zeigte sich bei den vier beobachteten
Großen Tümmlern und ihren Kälbern. Erst nach drei bis vier Wochen begannen die Jungen mit immer längeren Ruheperioden. Dabei waren die Ruhezeiten der Kälber stets kürzer als die der Mütter.
Warum bei den Wal- und Delfinbabys eine gesunde Entwicklung trotz des Schlafdefizits möglich ist, wissen die Forscher noch nicht genau. Entweder ist Schlaf nicht so essentiell wie bisher angenommen, oder die Wale und Delfine haben einen alternativen Mechanismus entwickelt, der den Schlaf ersetzt. Die Vorteile für die Kälber liegen auf der Hand: Die ständige Bewegung macht die Jungtiere weniger leicht angreifbar. Zudem hilft sie, die Körpertemperatur zu halten, solange der isolierende Walspeck noch nicht ausgebildet ist.
Oleg Lyamin (Universität von Kalifornien, Los Angeles) et al.: Nature, Bd. 435, S. 1177
ddp/wissenschaft.de ? Mareile Müller-Merbach