Jedes Jahr ist erst einmal banges Warten angesagt: Haben die charismatischen Zugvögel die gefährliche, 10.000 Kilometer lange Reise aus dem südlichen Afrika bis nach Lettland gemeistert? Ja, das haben sie! Die Web-Cams an ihren angestammten Horsten haben die Schreiadler, die sich ein Leben lang treu bleiben, gesichtet. Für die Brutsaison 2016 hat Ugis Bergmanis, der lettische Schreiadlerexperte und Kooperationspartner der Deutschen Wildtier Stiftung, sogar zwei Bühnen für das Adler-TV hergerichtet. Dabei musste der Forscher extrem vorsichtig sein, denn Schreiadler sind sehr sensibel: Werden sie gestört, suchen sie sich ein neues Plätzchen.
Momentan wird renoviert – dann geht’s ans Brüten
Bisher sind die Vögel noch mit Ausbesserungsarbeiten beschäftigt und machen das Heim gemütlich: Sie sind dabei, das Nest mit Zweigen und Tannengrün auszupolstern, damit der Nachwuchs es später schön weich hat. Martin Vieweg, der Autor dieser Meldung berichtet: “Während ich diese Zeilen schrieb, ließ ich den Live-Stream von den Horsten im Hintergrund laufen. Zunächst waren keine Adler zu sehen und ich lauschte nur dem Vogelgezwitscher im Wald. Doch dann hörte ich es Knacken und wechselte wieder zum Video – die Adler waren gelandet, begannen am Nest zu basteln und verkündeten ihre Anwesenheit durch laute Rufe. Ein wunderbares Naturerlebnis!”
Andreas Kinser von der Deutschen Wildtier Stiftung sagt: “Natürlich warten wir nun alle gespannt darauf, dass das Adlerweibchen zwei Eier legt und etwa 40 Tage später der Nachwuchs schlüpft”. Die versteckten Kameras in gut zehn Metern Höhe werden dann dokumentieren, wie aus den tapsigen Küken stolze Adler werden. Doch es geht nicht nur um schöne Bilder, sondern auch um handfeste Forschung, betont die Deutsche Wildtier Stiftung. “Die Übertragung ist Teil eines Projektes der Staatlichen Forstverwaltung in Lettland, bei dem die Nahrungszusammensetzung für Schreiadler-Küken untersucht wird”, sagt Kinser.
Noch 110 Brutpaare in Deutschland
Was sich nun an den Horsten in Lettland beobachten lässt, spielt sich indes auch in Deutschland ab: Die letzten 110 Brutpaare unserer heimischen Schreiadler leben in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Ihre Zukunft ist allerdings ungewiss: “Die Bedrohung hängt mit der Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft zusammen”, sagt Kinser. In einem Modellprojekt, das durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert wird, untersucht die Deutsche Wildtier Stiftung derzeit, wie eine schreiadlerfreundliche Landbewirtschaftung aussehen könnte. Die Beobachtungen aus Lettland über die Ernährungsgewohnheiten der Adler sind dabei natürlich eine wichtige Informationsquelle.
Quelle: Deutsche Wildtier Stiftung