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„Raub-Algen“ meisterten die Finsternis

Kreidezeitlicher Asteroideneinschlag

„Raub-Algen“ meisterten die Finsternis
Elektronenmikroskopische Aufnahmen von Fossilien einzelligen Algen. Aus den Löchern kamen einst Flagellen, die unter anderem der Jagd auf Bakterien (rot) dienten. (Bild. Paul Brown/University College London)

Der berühmte Asteroideneinschlag vor 66 Millionen Jahren hüllte die Erde in finstere Aschewolken – wie konnten die normalerweise auf Licht angewiesenen Meeresalgen die Dunkelheit überleben? Offenbar ermöglichten dies räuberische Fähigkeiten, geht aus einer Untersuchung von fossilen Algenablagerungen hervor. Nach dem Einschlag waren die Ozeane demnach von Arten der Einzeller geprägt, die sich nicht nur durch Photosynthese ernährten, sondern auch Bakterien vertilgen konnten. Möglicherweise spielten diese Raub-Algen eine wichtige Rolle bei der Erholung der marinen Ökosysteme. Später wurden sie dann wieder weitgehend von den „friedlichen“ Algenarten ersetzt, zeichnet sich in den Ergebnissen ab.

Die Kreidezeit endete mit einem Paukenschlag: Noch heute zeichnen sich im Bereich der mexikanischen Halbinsel Yucatan die Spuren des Asteroiden ab, der Datierungen zufolge vor etwa 66 Millionen Jahren in die Erde krachte. Man geht davon aus, dass die kosmische Bombe neben Feuerstürmen und gigantischen Tsunamis auch dichte Aschewolken in der Atmosphäre verursachte. Vermutlich war eine starke Verdunklung die Folge, die sich wohl erst im Laufe von Jahren lichtete. In den paläontologischen Funden aus der Zeit des Einschlags zeichnet sich deutlich ab, dass das Inferno mit einem verheerenden Massenaussterben verbunden war: Die Dinosaurier waren die berühmtesten Opfer, doch mit ihnen verschwand auch ein Großteil aller anderen Lebewesen – an Land und im Meer.

Wichtige Winzlinge im Visier

Klar ist allerdings auch: Es kam nicht zu einer vollständigen Vernichtung. Irgendwie schafften es einige Lebewesen, das Inferno zu überleben. Aus ihnen entwickelten sich anschließend die heutigen Tier- und Pflanzenarten. Die aktuelle Studie richtet nun allerdings einmal den Fokus auf das Überleben von Winzlingen. Die Forscher um Samantha Gibbs von der University of Southampton sind der Frage nachgegangen, wie die einzelligen Algen (Nannoplankton) der Meere mit den Folgen des Einschlags zurechtgekommen sind. Wie sie betonen, besaßen diese Winzlinge damals wie heute eine große Bedeutung, denn die marinen Algen bilden eine wichtige Grundlage der Nahrungsketten.

Im Rahmen ihrer Studie beschäftigten sich die Forscher mit einer Gruppe dieser Lebewesen, deren Zellkörper von einer Kugel aus Calciumcarbonat-Plättchen umschlossen ist. Diese winzigen „Skelette“ (Coccosphären) konnten in einigen Fällen die Jahrmillionen überdauern. Im Rahmen ihrer Studie haben die Forscher nun die Mikrofossilien dieser Algen von verschieden Fundorten und aus verschiedenen Zeiten untersucht und mit heute lebenden Vertretern verglichen. Die meisten heutigen Arten dieser Winzlinge sind photoautotroph. Das heißt, sie ernähren sich nur über die Erzeugung von energiereichen Substanzen aus der Nutzung von Licht. Es gibt allerdings auch Vertreter, die zusätzlich zur Photosynthese Bakterien erbeuten, um sich eine weitere Nahrungsquelle zu sichern – sie werden als mixotroph bezeichnet.

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Die Forscher konnten nun zeigen: Vor dem Asteroideneinschlag besaßen die Algen in den Ozeanen Merkmale, die mit einer rein photoautotrophen Lebensweise verbunden sind. Bei den Nannoplankton-Skeletten der Vertreter der Algen aus der Zeit nach der Katastrophe stellten die Forscher dann allerdings markante Löcher in den Kugelstrukturen fest. Wie sie erklären, ist dies für die räuberischen Arten der einzelligen Algen typisch. Denn in den Löchern sitzen Flagellen, die der Fortbewegung – aber auch der Nahrungsaufnahme -dienen: Mit ihnen erhaschen die Einzeller Bakterien in ihrer Umwelt und verleiben sie sich ein.

Nur die Räuber verhungerten nicht

Aus den Ergebnissen geht somit hervor, dass nach dem Einschlag die mixotrophen Arten im Meer dominierten, die neben der Photosynthese auch durch Jagd für ihre Ernährung sorgen konnten. “Die Arten, die beim Massenaussterben verloren gingen, zeigten hingegen keine Merkmale, die auf mixotrophe Lebensweise hindeuten – sie waren wahrscheinlich vollständig auf Sonnenlicht angewiesen”, sagt Gibbs. Neben diesen Befunden führten die Forscher auch Computersimulationen durch, um zu modellieren, wie sich die Folgen des Einschlags auf die Entwicklung der Algen ausgewirkt haben könnten. Wie sie berichten, passen die Ergebnisse zu den fossilen Befunden. In den Modellen spiegelt sich zudem wider, dass nach dem Einschlag den räuberischen Algen auch eine vermutlich erhöhte Bakteriendichte im Wasser zugutegekommen sein könnte.

Dass einige Plankton-Algen durch ihre Fähigkeit zur alternativen Ernährungsweise überleben konnten, hat möglicherweise eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau der zerstörten Nahrungsketten im Meer gespielt, sagen die Forscher. Aus den Befunden geht hervor, dass die mixotrophen Algen noch mindestens eine Million Jahre lang die Ozeane dominierten. Später setzte dann allerdings ein revolutionärer Rückkehrtrend zu einer erneut stärkeren Abhängigkeit des Nannoplanktons von der Photosynthese ein. Heute leben wieder die meisten Vertreter nur von der Energieversorgung durch das Sonnenlicht.

Wie die Wissenschaftler abschließend erklären, verdeutlichen die Ergebnisse nun auch, dass offenbar die Verdunklung nach dem Asteroideneinschlag ein zentraler Aspekt beim Massenaussterben darstellte. “Dieser gewaltige Einschlag schleuderte riesige Mengen von Trümmern, Aerosolen und Ruß in die Atmosphäre und verursachte Dunkelheit, Abkühlung und Versauerung”, sagt Co-Autor Paul Bown vom University College London. “Die signifikante Verzerrung, die wir beim Aussterben des Nannoplanktons festgestellt haben, kann nur vollständig durch die Dunkelheit erklärt werden, die durch den Asteroideneinschlag verursacht wurde”, so der Forscher. Gibbs ergänzt dazu abschließend: “Das Ereignis stellt wahrscheinlich das einzige wirklich geologisch augenblickliche Massenaussterben der Erdgeschichte dar“.

Quelle: University of Southampton, Fachartikel: Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.abc9123

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