Im Frühjahr sind alle Rentierweibchen gleich schlank, egal wie viel Winterspeck sie vorher angesetzt hatten. Das hat einen einfachen Grund: Tiere mit einer schlanken Figur sind beweglicher und können ihren Nachwuchs besser vor Feinden schützen. Die Fettreserven, die sich weibliche Rentiere für den Winter anfressen, haben zudem keinen Einfluss auf die Größe oder die Gesundheit der Kälber. Sie schützen die erwachsenen Tiere lediglich vor dem Verhungern. Über diese Ergebnisse berichten die Wissenschaftler um Per Fauchald vom “Polar Environmental Centre” in Tromsø (Norwegen) in der Fachzeitschrift Oikos (Bd.107, S. 583).
Die Forscher ließen in ihrer Studie 30 Rentierweibchen während des Winters und im nachfolgenden Frühjahr nach Belieben fressen. Diese Tiere verglichen die Forscher mit weiteren 30 Tieren, denen sie im Winter nur wenig Futter zur Verfügung stellten. Die gut gefütterten Rentierweibchen legten zunächst an Körpergewicht zu, während die anderen Tiere abnahmen. Nachdem die Tiere gekalbt hatten, konnten Fauchald und seine Kollegen aber keinen Gewichtsunterschied zwischen den beiden Gruppen mehr feststellen: Die wohlgenährten Weibchen hatten im Frühjahr abgenommen, obwohl ihnen in dieser Jahreszeit ausreichend Nahrung zur Verfügung steht. Auch das Körpergewicht der Kälber und deren Überlebensrate unterschied sich zwischen den beiden Gruppen nicht.
Rentierweibchen haben das Problem, dass sie einerseits Fettreserven für den Winter anlegen müssen, wenn sie nicht verhungern wollen. Andererseits müssen sie beweglich bleiben, um ihren Nachwuchs gegen Feinde verteidigen zu können, sagen die Forscher. Sie vermuten, dass es für die Tiere im Frühjahr eine Art Idealgewicht gibt, das sie zu erreichen versuchen .
ddp/wissenschaft.de ? Sonja Huhndorf
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