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Rätsel um Aasgeruch der Titanenwurz gelöst

Botanik

Rätsel um Aasgeruch der Titanenwurz gelöst
Foto und Wärmebild einer Titanenwurz während der Blütezeit
Eine Hitzekarte der Leichenblume zeigt, dass sich der zentrale, hoch aufragende Blütenstiel der Titanenwurz während der Blütezeit auf etwa elf Grad Celsius über der Umgebungstemperatur erwärmt. © Eric Schaller/Dartmouth

Die äußerst seltene Blüte der Titanenwurz, auch bekannt als Leichenblume, ist für ihren intensiven Aasgeruch berühmt. Nun haben Pflanzenbiologen den Entstehungsprozess der Substanzen und die genetischen Grundlagen ermittelt, die für diesen ungewöhnlich übelriechenden Blumenduft verantwortlich sind. Dabei identifizierten sie überraschend auch eine zuvor unbekannte Duftkomponente. Zudem fanden sie heraus, wie und warum sich der riesige Blütenstiel der Pflanze vor dem Erblühen erwärmt – ein ungewöhnliches Phänomen bei Pflanzen.

Die in Indonesien beheimatete Titanenwurz (Amorphophallus titanum) ist für zwei Dinge bekannt: Ihre seltene tiefrote Blüte und deren ungewöhnlichen Geruch. Die riesige Blume blüht nur alle fünf bis sieben Jahre, meist ziemlich plötzlich über Nacht und für nur wenige Tage. Dabei verströmt sie einen stechenden schwefeligen Geruch, der Bestäuber wie Fliegen und Aaskäfer anzieht. Weil der Blütenduft an verrottendes Fleisch und Fisch erinnert, wird die Pflanze gemeinhin auch als Leichenblume bezeichnet. Dieser charakteristische Duft besteht Vermutungen zufolge aus einem Cocktail aus stinkenden Schwefelverbindungen.

Wie genau die Pflanze diese Geruchsmischung herstellt, war bislang allerdings unklar. Ebenso war Wissenschaftlern bisher ein Rätsel, wie und warum sich der zentrale Blütenstiel der Leichenblume – der bis zu 3,50 Meter hohe kegelförmige Spadix – kurz vor deren Erblühen um bis zu elf Grad Celsius über die Umgebungstemperatur erwärmt. Eine solche Wärmeerzeugung ist bei Tieren gängig, für Pflanzen aber ungewöhnlich.

Wärmeproduktion der Titanenwurz ähnelt der tierischen Thermogenese

Diesem Phänomen ist nun ein Team um Alveena Zulfiqar vom Dartmouth College in den USA genauer nachgegangen. Dabei suchten die Biochemiker nach den genetischen Grundlagen und den biologischen Mechanismen, die hinter der Produktion der Wärme und der geruchsintensiven Chemikalien der Titanenwurz stecken. Die Forscher entnahmen dafür Gewebeproben einer 21 Jahre alten Leichenblume namens Morphy, die im Gewächshaus des Dartmouth College steht. Als diese Blume 2016 blühte, sammelten sie über drei Nächte hinweg insgesamt neun Proben von verschiedenen Stellen des Spadix. „Die Blüten sind selten und auch kurzlebig, so dass wir nur ein kleines Zeitfenster hatten, um diese Phänomene zu untersuchen“, erklärt Seniorautor Eric Schaller, ebenfalls vom Dartmouth College.

Zulfiqar und ihre Kollegen untersuchten einerseits, welche chemischen Moleküle in diesen Titanenwurz-Proben vorkamen. Zudem extrahierten sie die RNA aus dem Gewebe und sequenzierten diese, um herauszufinden, welche Gene zur Blütezeit in den Pflanzenzellen aktiv waren. „So können wir sehen, welche Gene exprimiert werden und welche spezifisch aktiv sind, wenn sich der Spadix erwärmt und Gerüche aussendet“, sagt Schaller.

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Die chemischen Analysen zeigten, dass die Duftmischung tatsächlich aus Schwefelverbindungen besteht: „Die wichtigsten Geruchsstoffe der Titanenwurz sind Dimethyldisulfid und Dimethyltrisulfid“, schreiben die Biochemiker. Diese Chemikalien geben auch verwesende Leichen ab. Die RNA-Analysen ergaben zum einen, dass in dem Blütenstiel von Morphy während des Erblühens solche Gene verstärkt abgelesen wurden, die für die Produktion bestimmter Proteine sorgen, sogenannte alternative Oxidasen. Diese ähneln einer Gruppe von Proteinen, die in tierischen Zellen vorkommen. Dort unterbrechen sie in den Mitochondrien den Speicherprozess von chemischer Energie, woraufhin die Tiere diese Energie verstärkt als Wärme abgeben. In der Leichenblume scheint es demnach ähnliche Entkopplungsproteine zu geben, die die Thermogenese des Blütenstiels ermöglichen, schließen die Forscher. Besonders aktiv waren diese Gene zu Blühbeginn und an der Spadixspitze.

Schwefelverbindungen sorgen für den Aasgestank

Beim Erblühen der Titanenwurz aktiv waren aber auch solche Gene, die am Transport und Stoffwechsel von Zucker, Aminosäuren und Schwefel beteiligt sind, wie die RNA-Analysen zeigten. Das könnte erklären, woher die Thermogenese ihre Energie nimmt, und passt zugleich zu der Beobachtung, dass der freigesetzte Geruch der Leichenblume auf flüchtige Schwefelverbindungen zurückgeht. Um herauszufinden, wie diese Duftstoffe genau entstehen, isolierte das Team während einer späteren Blütezeit von Morphy weitere Gewebeproben aus der Pflanze. Mittels Massenspektrometrie ermittelten sie den Gehalt verschiedener Aminosäuren in den Proben. Das erlaubt Rückschlüsse auf die aus diesen Substanzen hergestellten Moleküle.

Das Ergebnis: Die Blüte der Titanenwurz enthielt zu Blühbeginn hohe Konzentrationen der schwefelhaltigen Aminosäure Methionin, vor allem an der Spadixspitze. Einige Stunden später entnommene Proben wiesen hingegen deutlich weniger Methionin auf. Das Entscheidende daran: Aus dieser Aminosäure können schwefelbasierte Verbindungen hergestellt werden, die bei Erwärmung leicht verdampfen und stechende Gerüche erzeugen – wie die zuvor festgestellten Substanzen Dimethyldisulfid und Dimethyltrisulfid.

Fischig riechende Substanz identifiziert

Darüber hinaus entdeckten die Forscher in den Proben vom Spadixrand überraschend hohe Konzentrationen einer weiteren Aminosäure: Arginin. Aus dieser kann die organische Verbindung Putrescin hergestellt werden – ein flüchtiger Geruchsstoff, der in toten Tieren vorkommt, wenn diese zu faulen beginnen. Folgeanalysen bestätigten, dass Morphy diese fischige Substanz währen der Blütezeit produziert. Damit bestätigten Zulfiqar und ihre Kollegen nicht nur die vermutete Mischung aus Schwefelverbindungen, sondern identifizierten mit Putrescin zudem eine weitere, zuvor unbekannte Komponente der Duftmischung der Leichenblume.

Zusammen sorgen diese Moleküle demnach für den penetranten Gestank der Titanenwurzblüte. Die Thermogenese des Blütenstiels könnte der Pflanze dabei helfen, ihre Duftstoffe schnell herzustellen und effektiv zu verbreiten, vermutet das Team. In Folgestudien will es nun herausfinden, ob Blumen, die zusammen untergebracht sind, ihr Erblühen synchronisieren, um gemeinsam den Geruchspegel zu erhöhen und noch mehr Bestäuber anzulocken.

Quelle: Alveena Zulfiqar (Dartmouth College) et al.; PNAS Nexus, doi: 10.1093/pnasnexus/pgae492

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