Arteriosklerose gilt eigentlich als typische Zivilisationskrankheit: Erst der moderne Lebensstil und unsere ungesunde Ernährung bescheren uns verkalkte Gefäße und verstopfte Arterien – so dachte man jedenfalls bis zum letzten Jahr. Doch im März 2013 veröffentlichten Forscher des Horus-Projekts eine Studie, in der sie Mumien aus vier verschiedenen Kulturen untersucht hatten, darunter 76 ägyptische Mumien, 51 Relikte prähistorischer peruanischer Kulturen, fünf Bewohner der Aleuten und fünf Angehörige einer Pueblo-Kultur aus Nordamerika. Entgegen ihren Erwartungen fanden die Wissenschaftler damals Belege für Arteriosklerose bei Vertretern aller vier Kulturen. “Und das, obwohl sich Ernährung und Klima bei diesen Völkern deutlich unterschieden”, konstatierte damals Randall Thompson von der University of Missouri in Kansas City. Warum selbst die Jäger und Sammler der Aleuten an der vermeintlichen Zivilisationskrankheit litten, blieb offen.
Erreger und Parasiten satt
Jetzt haben Gregory Thomas von der University of California in Irvine und seine Kollegen diese Frage erneut aufgegriffen. Sie untersuchten, welche Faktoren im Leben dieser vier verschiedenen Kulturen diese Gefäßerkrankung hätten auslösen können. Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten stießen sie auf einen ersten Hinweis: Alle vier Kulturen lebten in der Nähe von Gewässern und hatten weder Kanalisation noch grundlegendes Wissen über Hygiene, erklären die Forscher. Das aber, zusammen mit beengten Lebensbedingungen müsse grassierende mikrobielle Infektionen und anhaltenden Parasitenbefall gefördert haben. “Diese Menschen wussten nichts über die Erreger, die in ihren unhygienischen Umgebung lauerten, im Abwasser, den Tieren und dem verseuchten Trinkwasser”, so Thomas und sein Kollegen.
Um diese Infektionen abzuwehren, muss der Körper dieser Menschen ständig in einem Zustand der Entzündung gewesen sein. Das aber könnte die Arteriosklerose, eine chronische Entzündung der Gefäßwände ausgelöst und gefördert haben, vermuten die Forscher. Ähnliches sei auch aus der heutigen Medizin bekannt: Patienten, die unter entzündlichen Erkrankungen wie Rheuma, Lupus erythematosus oder chronischen Infektionen wie HIV leiden, entwickeln häufiger auch Herz-Kreislauf-Krankheiten. Die Fähigkeit der frühen Jäger und Sammler, aber auch der Pueblo-Indianer und der alten Ägypter, den ständigen Infektionen zu widerstehen, könnte ihnen als Kehrseite eine erhöhte Anfälligkeit für Gefäßverkalkungen beschert haben, so die Forscher.
Verräuchertes Leben
Aber es gibt noch einen zweiten Risikofaktor, der in den alten Kulturen durchaus schon präsent war: Rauch. “Alle vier Kulturen der Horus-Studie kochten über offenen Feuern mit Holz, Kohle, Tran oder Dung”, berichten die Forscher. Die Pueblo-Indianer und Aleuten-Jäger lebten zudem in unterirdischen Behausungen, in denen sich vermutlich reichlich Rauch sammelte. Spuren von Ruß und Rauch hatten die Horus-Forscher sogar in einigen ihrer Mumien nachgewiesen. In der aktuellen Untersuchung stellten Thomas und sein Kollegen zudem fest, dass mehr Frauen als Männer unter den Mumien verkalkte Gefäße aufwiesen. “Das passt zur traditionellen Rolle der Frauen zu jener Zeit, die vermutlich besonders lange am Feuer zugange waren, um zu kochen”, sagt Thomas. Aus heutigen Fallstudien ist bekannt, dass auch Rauch aus Feuerstätten entzündliche Lungenerkrankungen, aber auch Arteriosklerose fördern kann. Nach Ansicht der Forscher könnte dies daher ein weiterer Faktor gewesen sei, der die frühen Kulturen trotz einer ansonsten gesunden Lebensweise krank machte.
Nach Ansicht der Forscher unterstreichen diese Ergebnisse, dass es mehr als die bekannten, heute gängigen Risikofaktoren für Arteriosklerose gibt. “Zu glauben, damit hätten wir nun alle Ursachen gefunden, ist aber Wunschdenken”, betonen die Forscher. Denn gerade das Wechselspiel von genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren sei komplex und erst in Ansätzen verstanden. “Wir müssen daher weitersuchen nach anderen, potenziell fundamentalen Ursachen der Arteriosklerose”, so Thomas. Denn das könnte auch die heutige Behandlung und Vorbeugung dieser heute so häufigen Gefäßerkrankung verbessern helfen.