15 Meter lang und 20 Tonnen schwer: Spinosaurus gilt als der größte aller bekannten Raubsaurier. Doch im Gegensatz zu Tyrannosaurus rex und Co hatte er es wohl nicht auf andere Dinosaurier abgesehen, sondern auf Fische: Neue Funde von Überresten seines Schwanzes vervollständigen nun das Bild eines Wassertiers. Aus den Merkmalen sowie aus Tests mit Rekonstruktionen geht hervor, dass der flossenartige Fortsatz für effektiven Antrieb im Wasser sorgen konnte – ähnlich wie bei den heutigen Krokodilen.
Spinosaurus aegyptiacus war für lange Zeit ein Mysterium der Paläontologie, denn das erste bekannte Fossil aus Ägypten ging auf tragische Weise für die moderne Forschung verloren: Der in München gelagerte Fund wurde 1944 bei einem Bombengriff völlig vernichtet. Zu den erhaltenen Fotos und Aufzeichnungen kamen später nur noch fragmentarische Funde in Nordafrika hinzu – lange waren deshalb viele Fragen zu dem spektakulären Dinosaurier offen. Das änderte sich erst 2014: Paläontologen präsentierten ein sehr gut erhaltenes Fossil von Spinosaurus, das aus Marokko stammte. Anhand der Untersuchungsergebnisse konnten sie viele Merkmale des Tieres rekonstruieren – allerdings mit einer wichtigen Ausnahme: Wegen der zunächst fehlenden Reste des Schwanzes,wurde er bisher analog zu den Merkmalen der Fortsätze anderer zweibeiniger Dinosaurierarten dargestellt.
Die bisherigen Untersuchungsergebnisse des Fossils hatten bereits nahegelegt, dass Spinosaurus eine zumindest semi-aquatische Lebensweise besessen hat. Dafür sprechen eine Reihe von Anpassungen, wie die recht kleinen Hintergliedmaßen, breite Füße sowie Merkmale des Schädels und der Knochendichte. Man vermutete, dass der Saurier in Gewässern des kreidezeitlichen Nordafrika Jagd auf große Fische machte. Sein auffallendes Rückensegel diente ihm dabei im Wasser möglicherweise als weithin sichtbares Schau-Element für Artgenossen.
Ein flossenartiger Schwanz zeichnet sich ab
Doch dass die Tiere tatsächlich gute Schwimmer waren, galt bislang als umstritten. Denn ein plausibles Antriebsverfahren schien zu fehlen und Modellierungen zufolge müsste der riesige Dinosaurier sogar im Was
ser umgekippt sein, wenn er den Kontakt mit den Füßen zum Grund verlor. Doch wie die Forscher um Nizar Ibrahim von der University of Detroit Mercy berichten, ergeben neue Funde aus Marokko nun ein schlüssiges Gesamtbild. Bei diesen handelt es sich um die fast vollständige Abfolge der Schwanzwirbel, die zu dem Fossil von 2014 gehören.
Wie die Untersuchungen zeigten, unterschied sich der Schwanz von Spinosaurus deutlich von dem anderer Dinosaurier: Während der Fortsatz von T. rex und Co eher gleichmäßig spitz zulief und recht steif war, besaß das Anhängsel von Spinosaurus eine flache flossenartige Form: Die Wirbel besaßen lange Fortsätze, die dem Körperteil eine schlanke und hohe Form verliehen. Aus weiteren Merkmalen der Knochenstrukturen geht hervor, dass der Schwanz seitlich sehr flexibel gewesen sein muss. Diese Ergebnisse legen eine wellenförmige Bewegungsweise nahe, erklären die Wissenschaftler.
Antrieb ähnlich wie bei einem Krokodil
Um den möglichen Vortrieb des Schwanzes bei der Fortbewegung im Wasser zu untersuchen, führten die Wissenschaftler Tests mit einem robotergestützten „Flapping-Apparat“ durch: Sie erfassten die Wellenkräften von Modellen unterschiedlicher Schwanzformen. So konnten sie bestätigen, dass der Schwanz des Spinosaurus im Gegensatz zu den Versionen anderer Dinosaurier für starke Schubkraft im Wasser sorgte. Der Effekt war vergleichbar mit dem der Schwänze heutiger Wassertiere wie von Krokodilen oder Molchen. Der Schwimm-Schwanz hat wohl auch die Lage von Spinosaurus im Wasser stabilisiert, sagen die Forscher. So lief das Tier nicht Gefahr, im freien Wasser umzukippen, wie zuvor vermutet wurde. „Die Ergebnisse sind ein eindeutiger Beweis dafür, dass es sich um eine aquatische Antriebsstruktur bei dem Dinosaurier gehandelt hat“, resümieren Ibrahim und seine Kollegen.
Die Erkenntnisse über die Merkmale von Spinosaurus verändert nun auch das traditionelle Bild von den Dinosauriern als reinen Landtiere, sagen die Paläontologen. Denn lange galt die kreidezeitliche Welt als klar aufgeteilt: Im Wasser lebten die fischähnlichen Ichthyosaurier, durch die Luft sausten die Pterosaurier und die Dinosaurier galten als die Herrscher des Landes. Wie sich nun zeigt, war die Aufteilung offenbar doch nicht so eindeutig. Vermutlich war Spinosaurus aegyptiacus auch kein Einzelfall. Wie die Forscher berichten, gibt es Hinweise darauf, dass auch andere Vertreter aus der Gruppe der Spinosauroidea zumindest einige Anpassungen an eine aquatische Lebensweise besessen haben.
Quelle: Nature, doi: 10.1038/s41586-020-2190-3